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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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seine lebhafte Anschauung von der Tragödie noch verstärkte, denn er schauderte.
    »Eine entsetzliche Geschichte!« schloß er.
    »Eine entsetzliche Geschichte,« wiederholte der Priester gesenkten Hauptes, »aber nicht die wahre Geschichte.« Dann warf er mit einer gewissen Verzweiflung den Kopf zurück und rief: »O, ich wünschte, sie wäre es gewesen.«
    Der große Flambeau wandte sich um und starrte ihn an.
    »Die Ihrige ist eine saubere Geschichte,« rief Father Brown tief ergriffen. »Eine liebliche, unschuldige, ehrbare Geschichte, so offen und weiß wie jener Mond. Wahnsinn und Verzweiflung sind etwas ganz Unschuldiges. Es gibt Schlimmeres, Flambeau!«
    Flambeau blickte wild zu dem so angerufenen Monde empor und von da, wo er stand, krümmte sich eben ein schwarzer Baumast wie ein Teufelshorn darüber.
    »Father – Father,« rief er mit einer echt französischen Bewegung und noch rascher voranschreitend, »meinen Sie, es war noch schlimmer als dieses?«
    »Schlimmer noch als dieses,« kam es von Brown zurück. Und sie verschwanden in der schwarzen Säulenhalle des Waldes, der sich in einem düsteren Wandteppiche von Stämmen gleich einem finsteren Gange in einem Traume zu ihren beiden Seiten hinzog.
    Bald befanden sie sich in dem geheimnisvollen Innern und fühlten sich von unsichtbarem Laube nahe umgeben, als der Priester wieder anhub:
    »Wo verbirgt der Weise ein Blatt? Im Walde. Aber was tut er, wenn er keinen Wald hat?«
    »Nun was?« rief Flambeau gereizt, »was tut er?«
    »Er läßt sich einen Wald wachsen, um es darin zu verbergen,« beantwortete der Priester finster die eigene Frage. »Eine furchtbare Sünde!«
    »Hören Sie,« versetzte sein Freund ungeduldig, denn der dunkle Wald und das dunkle Gerede gingen ihm auf die Nerven. »Wollen Sie mir diese Geschichte erzählen oder nicht? Was veranlaßt Sie, sie noch weiter auszudehnen?«
    »Drei weitere Beweisspuren liegen vor,« erklärte jener, »die ich in Löchern und Winkeln aufgestöbert habe und ich will sie lieber in folgerichtiger als in zeitlicher Reihenfolge aufzählen. Vor allem haben wir als Gewährsmann für den Verlauf und Ausgang der Schlacht natürlich Olivier in seinen Meldungen, welche an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen. Er lag mit zwei oder drei Regimentern auf den zum Rio Negro abfallenden Höhen verschanzt, dessen anderes Ufer niedriges Sumpfgelände bildete. Jenseits desselben stieg das Land wieder sanft aufwärts und dort stand der erste englische Vorposten, der von anderen, jedoch erheblich ferner ausgesetzten, gestützt wurde. Die britischen Truppen zusammen genommen waren an Zahl bedeutend überlegen, aber dieses eine Regiment stand gerade entfernt genug von seiner Basis, um Olivier den Plan erwägen zu lassen, den Fluß zu überschreiten und es abzuschneiden. Um Sonnenuntergang hatte er sich jedoch entschlossen, in seiner eigenen, besonders starken Stellung zu bleiben. Am nächsten Morgen bei Tagesanbruch sah er zu seiner größten Verblüffung, daß diese Handvoll Engländer gänzlich außer Verbindung mit der Nachhut den Fluß überschritten hatte, die eine Hälfte mittels einer Brücke zur Rechten, und die andere Hälfte weiter oben auf einer Furt, und daß sie sich im Sumpfgelände unterhalb seiner Stellung festgesetzt hatten. Daß sie bei solcher Zahl auf eine solche Stellung einen Angriff wagen sollten, war einfach unglaublich; doch Olivier bemerkte etwas noch Ungewöhnlicheres. Denn anstatt zu versuchen, festeren Boden zu gewinnen, tat dieses wahnwitzige Regiment mit dem Fluß im Rücken nichts Geringeres, als dort im Schlamme stecken zu bleiben wie Fliegen im Sirup. Es versteht sich von selbst, daß die Brasilianer mit ihrer Artillerie große Lücken hineinrissen, worauf jene nur mit einem schwachen Gewehrfeuer zu erwidern vermochten. Doch hielten sie sich, und Oliviers kurzer Bericht schließt mit einem Ausdruck der Bewunderung für die geheimnisvolle Tapferkeit dieser von Vernunft verlassenen. ›Unsere Linie ging dann endlich vor,‹ schreibt Olivier, ›und trieb sie in den Fluß; wir nahmen General St. Clare selbst und mehrere andere Offiziere gefangen. Der Oberst und der Major waren beide im Kampfe gefallen. Ich kann nicht umhin, es auszusprechen, daß man in der Geschichte nur selten ein ähnlich schönes Blatt antrifft wie den letzten Widerstand dieses außerordentlichen Regimentes; verwundete Offiziere ergriffen die Gewehre gefallener Soldaten und der General selbst stand entblößten Hauptes zu

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