Priester und Detektiv
ihr lag daran, daß es überhaupt nicht unterzeichnet werde.«
»Leute wie die Staceys gebrauchen immer Füllfedern; das war aber bei Pauline ganz besonders natürlich. Durch Gewohnheit und ihren starken Willen und ihr Gedächtnis konnte sie beinahe noch ebensogut schreiben wie vorher, als sie noch ihr Augenlicht besaß, aber sie konnte nicht sehen, wann ihre Feder ausgelaufen war. Daher waren ihre Füllfedern von ihrer Schwestern stets sorgfältig gefüllt mit Ausnahme jener einen; diese eine war von ihrer Schwester sorgfältig nicht gefüllt. Der Tintenrest reichte für ein paar Zeilen und versagte dann ganz. Und der Prophet verlor dadurch fünfmalhunderttausend Pfund und beging einen der brutalsten und genialsten Morde in der menschlichen Geschichte – um nichts.«
Flambeau trat an die offene Türe und hörte die Polizeibeamten die Treppe heraufkommen. »Sie müssen alles verdammt genau verfolgt haben,« wandte er sich an Father Brown, »um in zehn Minuten Kalons Verbrechen auf die Spur zu kommen.«
Der Angeredete blickte ihn erstaunt an.
»O, Kalon!« sagte er. »Nein, ich mußte ziemlich scharf der anderen Spur folgen, Fräulein Johanna und der Füllfeder. Aber ich wußte, daß Kalon der Verbrecher war, noch ehe ich die Haustüre betrat.«
»Sie scherzen wohl!« rief Flambeau.
»Ganz mein Ernst! Ich sage Ihnen, ich wußte, er hat es getan, noch ehe ich wußte, was es war.« »Aber wieso denn?« »Diese heidnischen Stoiker,« erklärte Brown nachdenklich, »fehlen immer durch ihre Übertreibung. Es erhob sich ein Lärm und ein Menschenauflauf auf der Straße unten und der Priester Apolls blickte nicht im mindesten darnach hin. Was es war, wußte ich noch nicht, aber ich wußte, daß er darauf gewartet hatte.«
Das Zeichen des zerbrochenen Schwertes
Die tausend Arme des Waldes waren grau und seine Millionen Finger von Silber. An dem dunkelgrünlich blauen Himmel funkelten die Sterne gleich Eissplittern. Der ganze dicht bewachsene und spärlich bewohnte Landstrich stand starr in bitterem, hartem Froste. Die schwarzen Löcher zwischen den Stämmen sahen wie grundlose schwarze Höhlen jener herzlosen skandinavischen Hölle aus, einer Hölle von unabschätzbarer Kälte. Selbst der viereckige, steinerne Kirchturm blickte fast heidnisch-nordisch drein, als wäre er ein Barbarenturm inmitten der seeumspülten Felsen Islands. Es war eine sonderbare Nacht, um einen Friedhof zu durchforschen. Andererseits aber lohnte er vielleicht doch die Mühe der Durchforschung.
Er stieg von dem aschgrauen Waldgelände steil auf einer Art Höcker oder Schulter grünen Rasens empor, der in dem Sternenlichte grau erschien. Die meisten Gräber lagen auf dem abschüssigen Abhange und der zur Kirche führende Pfad stieg steil wie eine Treppe empor. Auf der Spitze des Hügels, dem einzigen ebenen und in die Augen springenden Platze stand das Denkmal, welches dem Orte seine Berühmtheit verlieh. Ein merkwürdiger Gegensatz zu all den formlosen Gräbern ringsum sprach daraus, denn es war das Werk eines der größten Bildhauer des neuzeitlichen Europa; und doch ward sein Ruhm sofort durch den Ruhm des Mannes, dessen Bildnis er dargestellt, in Vergessenheit getaucht. Der kleine Silberstift des Sternenlichtes zeichnete die massige Bronzegestalt eines ruhenden Soldaten, die starken Hände wie in einer ewigen Andacht verschlungen, das große Haupt auf einem Gewehre ruhend. Das ehrwürdige Gesicht war bebartet oder wies vielmehr einen Backenbart auf nach alter, schwerfälliger Oberst-Newcomescher Art. Die Uniform, wenngleich nur mit wenigen Strichen angedeutet, war die des modernen Kriegers. Zu seiner Rechten lag ein Schwert mit abgebrochener Spitze, zur Linken eine Bibel. An heißen Sommernachmittagen kamen Gesellschaftswagen voll von Amerikanern und gebildetem Vorstadtvolk, das Grabmal zu besichtigen; doch selbst dann empfanden sie das weite Waldgelände mit seiner einzigen schwermütigen Kuppel, mit Kirche und Friedhof als etwas seltsam Stummes und Vernachlässigtes. In diesem Eisesdunkel tiefsten Winters, möchte man meinen, würde das Denkmal allein mit den Sternen gelassen bleiben. Nichtsdestoweniger kreischte in der Stille dieses erstarrten Waldes ein hölzernes Tor und zwei unkenntliche Gestalten in Schwarz klommen den schmalen Pfad zum Grabmale hinan.
So schwach war das kalte Sternenlicht, daß nichts an ihnen sich wahrnehmen ließ, als daß beide zwar schwarze Kleidung trugen, aber der eine außergewöhnlich groß und der andere
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