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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ich noch nicht begriffen«
    »Ich muß gehen,« schloß Father Brown.
    Sie schritten mitsammen den Gang entlang der Vorhalle zu, wo sie das frische Sommersprossengesicht des Herzogs von Chester erblickten, der ihnen frohgestimmt entgegenlief.
    »Kommen Sie mit, Pound,« rief er atemlos. »überall habe ich nach Ihnen gesucht. Das Diner nimmt ganz prächtig seinen Fortgang und der alte Audley ist beauftragt, zu Ehren der Rettung der Gabeln eine Rede zu halten, Wir müssen irgendeine neue Zeremonie einführen, nicht? Zum Andenken an das Ereignis. Was schlagen Sie vor?«
    »Nun,« erwiderte der Oberst, indem er ihn mit einer gewissen grimmigen Zustimmung ins Auge faßte, »ich würde vorschlagen, wir tragen, in Zukunft grüne Fräcke anstatt der schwarzen. Man weiß nie, was für Mißverständnisse entstehen können, wenn man wie ein Kellner aussieht.« »A bah!« wehrte der junge Mann, »ein Gentleman sieht nie wie ein Kellner aus.«
    »Noch auch ein Kellner wie ein Gentleman, denke ich,« gab Oberst Pound mit demselben bitteren Lachen auf dem Gesichte zurück, »Hochwürdiger Herr, Ihr Freund muß sehr gerieben gewesen sein, um den Gentleman spielen zu. können.«
    Father Brown knöpfte sich seinen Alpakaüberzieher bis zum Halse hinauf zu, denn die Nacht war windig: dann nahm er sein Alltagsregendach vom Ständer. »Ja,« meinte er, »es muß eine sehr harte Arbeit sein, ein Gentleman zu sein; aber manchmal schon habe ich mir gedacht, es muß beinahe ebenso anstrengend sein, Kellner zu sein.«
    Und mit einem »guten Abend« stieß er die schweren Türen dieses Vergnügungspalastes auf. Die goldenen Pforten schlossen sich hinter ihm und schnellen Schrittes wanderte er durch die dunstigen, finsteren Straßen dahin auf der Suche nach einem Penny-Omnibus.

Israel Gows Ehre
    Ein stürmischer Abend von Oliv und Silber neigte sich, als Father Brown in einen grauen schottischen Plaid gehüllt dem Ende eines grauen schottischen Tales zuschritt und das wunderliche Schloß Glengyle gewahrte. Gleich einer Sackgasse schloss es die Talenge ab und sah aus, als sei hier die Welt zu Ende. Mit seinen steilen Dächern und Spitztürmen von seegrünem Schiefer in der Art der alten französich-schottischen Schlösser erweckte es einem Engländer die Erinnerung an die unheimlichen Spitzhüte der Zauberinnen in den Märchenbüchern; und die Tannenwälder, welche die grünen Türme umwogten, sahen in ihrem Schwarz gewissermaßen aus wie Rabenscharen. Diese Note von etwas Träumerischem, fast Schläfrigem und Teuflischem war nicht reine Laune der Landschaft. Denn es lagerte über dem Platze eine jener Wolken von Stolz, Wahnsinn und geheimnisvollem Leid, die schwerer über den Edelsitzen Schottlands lasten, als über denen anderer Menschenkinder. Denn Schottland besitzt ein doppeltes Maß von jenem Gifte, das man Erbteil nennt: das Bewußtsein des Blutes im Edelmann und das des Verhängnisses im Kalvinisten.
    Der Priester hatte sich auf einen Tag von seiner Arbeit in Glasgow frei gemacht, um mit seinem Freunde Flambeau, dem Liebhabergeheimpolizisten, zusammenzutreffen, der sich mit einem anderen mehr amtlichen Kollegen in Schloß Glengyle befand, um die Untersuchung über das Leben und den Tod des verstorbenen Grafen von Glengyle durchzuführen. Diese geheimnisvolle Person war der letzte Vertreter eines Geschlechtes, dessen Tapferkeit, Verschrobenheit und gewalttätige Verschlagenheit es sogar bei unheimlichen, vornehmen Kreisen seiner Nation gefürchtet machte. Niemand hatte so tiefen Anteil an jenem Labyrinth von Ehrgeiz, jenem Lügengewebe, das um Maria Stuart, Schottlands Königin, gewoben worden war. Das in der Landbevölkerung erhaltene Sprichwort verriet klar genug Beweggrund und Zweck jener Machenschaften:
»Was der grüne Saft den Bäumen,
Ist den Ogilvies das rote Gold.«
     
    Viele hundert Jahre lang hatte es keinen ehrenwerten Herrn auf Schloß Glengyle gegeben und mit dem Zeitalter Viktorias hatte man meinen mögen, hätten sich all ihre Übergeschnapptheiten erschöpft. Der letzte Glengyle jedoch genügte seiner Stammesüberlieferung, indem er das einzige tat, was noch zu tun übrig blieb: er verschwand. Ich meine damit nicht, daß er ins Ausland ging. Allem Gerede nach war er, wenn irgendwo, noch im Schlosse. Doch obwohl sein Name im Kirchenbuche und dem dicken, roten Hofalmanach stand, bekam den Träger doch niemand zu sehen.
    Wenn überhaupt jemand ihn zu Gesicht bekam, war es ein einsamer Knecht, ein Mittelding zwischen

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