Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
Diener und Gärtner. Er war so taub, daß das gewöhnliche Volk ihn für stumm hielt, während die Scharfsinnigeren ihn als Idioten bezeichneten. Ein hagerer, rothaariger Arbeiter mit verbissenem Unterkiefer, aber ganz ausdruckslosen blauen Äugen, hörte er auf den Namen Israel Gow und war der einzige und schweigsame Diener auf diesem verlassenen Besitztum. Doch die Ausdauer, mit welcher er Kartoffeln grub, und die Regelmäßigkeit, mit der er in der Küche verschwand hinterließen im Volke den Eindruck, er bereite die Mahlzeiten für seinen Herrn zu und als sei der merkwürdige Graf noch im Schlosse verborgen. Wenn man noch irgendeines weiteren Beweises bedurfte, so war es der, daß sein Diener ständig versicherte, der Herr sei nicht zu Hause. Eines Morgens wurden der Bürgermeister und der Prediger (denn die Gengyles waren Presbyterianer) auf das Schloß entboten. Dort fanden sie, daß der Gärtner, Diener und Koch seinen vielen Berufen noch den eines Leichenbestatters hinzugefügt und seinen edlen Herrn in einen Sarg vernagelt hatte, wieviel oder wie wenig diese sonderbare Tatsache untersucht worden war, lag noch nicht sehr klar zutage, denn in der Sache hatte niemals eine amtliche Untersuchung stattgefunden, bis Flambeau vor einigen Tagen nach dem Norden abgereist war. Bis dahin hatte der Leichnam Lord Glengyles (wenn dieser es war) seit einiger Zeit in dem kleinen Friedhofe auf dem Hügel gelegen.
    Als Father Brown durch den düsteren Garten schritt und in den Schatten des Schlosses trat, hing dichtes Gewölk hernieder und die Tust war gewitterschwül und feucht. Im letzten Schimmer des grünlich-goldenen Sonnenunterganges sah er einen schwarzen menschlichen Umriß, einen Mann in einem altmodischen Zylinder, auf der Schulter einen großen Spaten tragend. Die Zusammenstellung gemahnte merkwürdig an einen Totengräber, doch als Brown des tauben, Kartoffel grabenden Dieners gedachte, schien sie ihm ganz natürlich. Er wußte einiges von den schottischen Bauern, er kannte ihre Ehrerbietung, die es ganz gut notwendig erscheinen lassen konnte, bei einer amtlichen Untersuchung in »Schwarz« zu erscheinen. Er kannte auch ihre Sparsamkeit, die darob nicht eine Stunde Kartoffelgrabens verlieren würde. Selbst des Mannes Aufschrecken und argwöhnischer Blick, als der Priester vorüberging, standen hinreichend im Einklang mit der Wachsamkeit und Eifersucht eines solchen Typs.
    Die große Pforte ward von Flambeau selbst aufgetan, er hatte einen hageren, eisengrauhaarigen Mann bei sich, der in der Hand Papiere hielt: Inspektor Graven vom Polizeiamt Scotland Yard. Die Vorhalle war zum größten Teile nackt und leer, nur die bleichen, höhnischen Gelichter von ein paar jener gottlosen Ogilvies blickten unter ihren schwarzen Perücken aus gedunkelter Leinwand herab.
    Als Father Brown in ein inneres Zimmer folgte, bemerkte er, daß die beiden Berufsgenossen an einem langen, eichenen Tische gesessen hatten, dessen Ende mit beschriebenen Papieren, Whisky und Zigarren belegt war. 2eine ganze übrige Länge nahmen einzelne Gegenstände ein, die in Abständen voneinander aufgestellt waren, Gegenstände, so unerklärlich, wie sie nur sein konnten. Man sah da etwas wie ein Häufchen glitzernden zerbrochenen Glases. Dann gab es etwas wie einen höheren Haufen braunen Staubes. Ein drittes sah aus wie ein einfacher Stock aus Holz.
    »Sie scheinen eine Art geologischen Museums hier zu haben,« sagte er, als er sich niedersetzte und mit einem kurzen Kopfnicken nach dem braunen Staube und den Glassplittern wies.
    »Kein geologisches Museum,« erwiderte Flambeau, »sagen wir, ein psychologisches Museum.«
    »O, um's Himmels willen.« rief der Polizeibeamte lachend, »fangen wir doch nicht mit so langen Worten an.«
    »Wissen Sie nicht, was Psychologie bedeutet?« fragte Flambeau freundlich erstaunt. »Psychologie bedeutet übergeschnappt sein.«
    »Ich verstehe noch nicht recht,« gab der Beamte zurück.
    »Nun,« sagte Flambeau mit Bestimmtheit, »ich meine, daß wir bezüglich Lord Glengyles nur eine Tatsache herausgefunden haben. Er war irrsinnig.«
    Gows schwarzer Schattenriß mit seinem Zylinderhut und Spaten zog vor dem Fenster vorüber und hob sich gegen den dunkelnden Abendhimmel ab. Father Brown starrte ihn gleichgültig an und begann:
    »Ich kann es begreifen, irgend etwas muß bei dem Manne nicht ganz richtig gewesen sein, sonst hätte er sich nicht lebendig begraben, noch auch solche Eile gehabt, sich tot begraben zu lassen.

Weitere Kostenlose Bücher