Priester und Detektiv
geschröpft, ihn gezwungen, das Weltleben zu fliehen und zurückgezogen hier in dieser Einsamkeit zu leben. Das war alles, was sich aus dem Diener Paul herausbringen ließ und dabei war Paul unzweifelhaft Parteigänger.
Die italienische Haushälterin ging, wohl weil sie, wie Father Brown vermutete, weniger zufrieden war, etwas mehr aus sich heraus. Ihr Ton hatte, wenn sie von ihrem Herrn sprach, trotz einer gewissen Scheu einen Beiklang von Schärfe. Flambeau und sein Freund standen in dem Spiegelzimmer und betrachteten die Rötelskizze der beiden Knaben, als die Haushälterin irgend einer Verrichtung wegen rasch eintrat. Es war eine Besonderheit dieses blitzenden glasgetäfelten Raumes, daß jeder Eintretende sofort von vier oder fünf Spiegeln zurückgeworfen wurde, somit brach Father Brown, ohne sich umzuwenden, mitten im Satze seine Familienkritik ab. Flambeau jedoch, das Gesicht nahe am Bilde, ließ sich nicht stören und meinte mit lauter Stimme: »Wohl die Brüder Saradin. Sie sehen ganz unschuldig aus. Es wäre schwer zu sagen, welcher der Gute und welcher der Schlimme ist.« Dann, die Anwesenheit der Frau gewahrend, gab er der Unterhaltung eine belanglose Wendung und schlenderte in den Garten hinaus. Father Brown aber musterte immer noch unverwandt die rote Kreideskizze und Mrs. Anthony musterte unverwandt Father Brown.
Sie besaß große und tragische Augen und ihr Olivengesicht glühte dunkel in peinigender Neugier, wie bei jemand, der über Zugehörigkeit und Sinn eines ihm Fremden im Zweifel ist. Ob des kleinen Priesters Rock und Bekenntnis irgendwelche südländischen Beichtgedanken in ihr wiedererweckte oder ob sie vermutete, er wisse mehr, als er vorgab, jedenfalls sagte sie zu ihm mit leiser Stimme wie zu einem Mitverschworenem: »Einesteils hat er ganz recht, Ihr Freund. Er sagt, es wäre schwer, den guten Bruder von dem bösen zu unterscheiden. O, es wäre schwer, furchtbar schwer, den guten herauszufinden.«
»Ich verstehe nicht,« erwiderte Father Brown und begann, sich abzuwenden.
Die Frau trat einen Schritt näher zu ihm heran, donnernden Staates und mit einer Verbeugung wie ein Stier, der seine Hörner senkt.
»Es gibt keinen guten,« zischte sie. »Es war schon genug der Schlechtigkeit, daß der Hauptmann sich all das Geld aneignete, aber ich glaube nicht, daß darin viel des Guten lag, daß der Prinz es hergab. Der Hauptmann ist nicht der einzige, der etwas auf dem Gewissen hat.«
In des Geistlichen abgewandtem Gesichte begann ein Licht aufzudämmern und sein Mund formte schweigend das Wort ›Erpressung‹. Eben da dies geschah, blickte die Frau plötzlich erbleichend über ihre Schulter und fiel beinahe um. Die Türe hatte sich lautlos geöffnet und der fahle Paul stand wie ein Geist im Eingang. Infolge der unheimlichen Anordnung der Spiegelwände schien es, als ob fünf Paule gleichzeitig durch fünf Türen eingetreten seien.
»Seine Durchlaucht ist soeben angekommen,« meldete er.
Im gleichen Augenblicke war die Gestalt eines Mannes draußen am ersten Fenster vorübergegangen und hatte die sonnenbeschienene Täfelung wie eine Bühne gekreuzt. Einen Augenblick später kam sie am zweiten Fenster vorüber und die vielen Spiegel malten dasselbe Adlerprofil und die wandernde Gestalt. Sie schritt aufrecht und lebhaft, aber das Haar war weiß und die Farbe des Gesichtes ein eigentümliches Elfenbeingelb. Der Mann besaß jene kurze, gebogene römische Nase, welche gewöhnlich lange, hagere Wangen und ebensolches Kinn begleiten, doch verdeckte diese zum Teile der Schnurr- und Kinnbart. Ersterer war viel dunkler als der letztere, was etwas theaterhaft wirkte; auch war die Kleidung von derselben auffallenden Art, denn der Mann trug einen weißen Zylinder, eine Orchidee im Knopfloche, gelbe Weste und gelbe Handschuhe, die er beim Gehen schwang. Als er zur Vordertüre herumkam, hörten sie den steifen Paul diese öffnen und den Ankömmling in freundlichem Tone sagen: »Nun, Sie sehen, ich bin gekommen.« Der steife Paul verbeugte sich und erwiderte in seiner lautlosen Art: Während einiger Minuten war von ihrer Unterhaltung jedoch nichts zu verstehen, dann sagte der Diener: »Es steht alles bereit.« und der handschuhschwingende Prinz betrat fröhlich das Zimmer, die Gäste zu begrüßen. Wiederum bot sich ihnen die Spiegelszene – fünf Prinzen, welche durch fünf Türen das Zimmer betraten.
Der Prinz legte den weißen Hut und die gelben Handschuhe auf den Tisch und bot in aller
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