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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Wolke den Priester. »Ich wünschte, Flambeau wäre zurück,« sagte er leise. »Glauben Sie an Verhängnis?« fragte der ruhelose Prinz Saradin unvermittelt.
    »Nein,« antwortete sein Gast, »ich glaube an den Tag des Verhängnisses, das Jüngste Gericht.«
    Der Prinz wandte sich vom Fenster ab und starrte ihn eigentümlich an. »Was meinen Sie?« fragte er.
    »Ich meine, daß wir hier nur die Kehrseite des Gewebes sehen,« erwiderte Father Brown. »Die Dinge, welche hier geschehen, scheinen nichts zu bedeuten, ihre Bedeutung tritt erst anderswo hervor, anderswo trifft den wahrhaft Schuldigen die Vergeltung. Hier scheint sie oft auf den Unrichtigen zu fallen.«
    Der Prinz stieß einen unerklärlichen, fast tierischen Laut aus. Seine Augen glänzten seltsam in dem beschatteten Gesichte. Ein neuer und schlimmer Gedanke barst stillschweigend in des anderen Gehirn. Gab es etwa eine andere Bedeutung in Saradins Gemisch von Frohsinn und Schroffheit? War der Prinz – war der Prinz geistig vollkommen gesund? Immer wieder wiederholte er sich »den Unrichtigen – den Unrichtigen«, viel öfter als für einen im Gespräch fallenden Ausruf natürlich war.
    Dann erwachte Father Brown allmählich zu einer zweiten Wahrheit. In den Spiegeln ihm gegenüber konnte er die stumme Türe offen und den stummen Mr. Paul mit seiner üblichen farblosen Teilnahmslosigkeit in ihr stehen sehen.
    »Ich hielt es für besser, es sogleich zu vermelden,« unterbrach dieser, mit derselben steifen Ehrerbietung, als wäre er ein alter Familienanwalt, »ein von sechs Mann gerudertes Boot hat am Landungssteg angelegt und am Steuer sitzt ein feiner Herr.«
    »Ein Boot!« rief der Prinz. »Ein feiner Herr?« und stand auf.
    Banges Schweigen herrschte, in Absätzen unterbrochen durch den eigenartigen Laut des Vogels im Schilfe. Und dann, ehe noch jemand erneut zu Wort kommen konnte, schritt ein neues Gesicht und eine neue Gestalt im Profil an den drei sonnenbeschienenen Fenstern vorüber, so wie der Prinz vor etwas mehr als einigen Stunden vorübergeschritten war. Aber abgesehen von dem Zufall, daß beiden Profilen das Adlerartige gemeinsam war, glichen sie einander sehr wenig. An Stelle des neuen, weißen Zylinders Saradins war hier ein schwarzer von veralteter Form, darunter steckte ein junges, sehr feierliches Gesicht, glatt rasiert, bläulich um das entschlossene Kinn und leise an den jungen Napoleon erinnernd. Die Ähnlichkeit wurde noch verstärkt durch das Altertümliche und Seltsame, wie er sich trug, etwa wie ein Mann, der sich nie damit befaßt hat, die Gewohnheiten seiner Voreltern zu ändern. Er trug einen verschlissenen blauen Frack, eine rote Weste, die aussah, als komme sie von einem Soldaten, und eine Art plumper weißer Beinkleider, wie man sie zu Beginn des Viktoriazeitalters trug, die aber heute sonderbar störend erschien. Aus diesem ganzen alten Kleiderladen blickte ein olivenbraunes Gesicht merkwürdig jung und ungeheuerlich aufrichtig hervor.
    »Zum Teufel!« rief Prinz Saradin, schritt, seinen weißen Hut aufsetzend, selbst der Vordertüre zu und stieß sie nach dem abendlichen Garten hinaus auf.
    Inzwischen hatte der Neuangekommene und sein Gefolge sich wie eine kleine Theaterarmee auf dem Rasenplatze aufgestellt. Die sechs Bootsleute hatten das Boot an Land gezogen und blickten beinahe drohend darauf nieder, während sie ihre Ruder wie Speere aufrecht hielten. Es waren gebräunte Männer und einige von ihnen trugen Ohrringe; einer jedoch stand näher zur Seite des jungen Mannes mit dem Olivengesichte und der roten Weste und trug einen großen und schwarzen länglichen Kasten von ungewöhnlicher Form.
    »Ihr Name ist Saradin?« fragte der junge Mann.
    Saradin nickte ziemlich lässig.
    Der Angekommene hatte schwermütige braune Hundeaugen, die von den ruhelosen und funkelnden grauen Augen des Prinzen so verschieden waren, als dies nur überhaupt sein konnte. Nochmals jedoch wurde Father Brown von einem Gefühle gepeinigt, als habe er schon irgendwo eine Wiederholung dieses Gesichtes gesehen, noch einmal dachte er an die Vervielfältigungen des glasgetäfelten Raumes und schrieb das Zusammentreffen diesem Umstande zu. »Zum Kuckuck mit diesem Glaspalaste!« murmelte er. »Man sieht alles viel zu oft. Es ist wie ein Traum.«
    »Wenn Sie Prinz Saradin sind,« sagte der junge Mann, »so will ich Ihnen sagen, daß mein Name Antonelli ist.«
    »Antonelli,« wiederholte der Prinz gelassen. »Ich entsinne mich entfernt des

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