Priester und Detektiv
Bohun tot?« fragte er ganz ruhig. »Dann ist er in der Hölle.«
»Sagen Sie nichts! O, sagen Sie gar nichts,« rief der atheistische Schuster in verzückter Bewunderung für das englische Gerichtsverfahren. Denn niemand hängt so sehr am Buchstaben des Gesetzes, wie der gute Freidenker.
Der Schmied kehrte ihm über die Schulter das selbstbewußte Gesicht eines Fanatikers zu.
»Das könnt ihr, ihr Ungläubigen, wie die Füchse auskneifen, weil ihr das weltliche Gesetz stets auf eurer Seite habt. Aber Gott wacht über die Seinen, das wird euch heute noch offenbar.« Dann deutete er nach dem Oberst und fragte: »Wann starb dieser Hund in seinen Sünden?«
»Mäßigt Eure Sprache,« mahnte der Doktor.
»Mäßigen Sie die Sprache der Bibel und ich mäßige die meinige. Wann starb er?«
»Ich traf ihn um sechs Uhr morgens noch am Leben,« stammelte Wilfried Bohun.
»Gott ist gut,« sagte der Schmied. »Herr Inspektor, ich habe nicht das geringste dagegen einzuwenden, daß Sie mich festnehmen. Sie sind es. der etwas dagegen einzuwenden haben dürfte. Mir liegt nichts daran, wenn ich den Gerichtssaal ohne einen Flecken auf meinem Charakter verlasse. Aber Ihnen ist es vielleicht nicht gleichgültig, mit einem Aufsitzer Ihre Karriere zu schädigen.«
Zum erstenmal sprach aus dem Blicke des Inspektors eine größere Beachtung für den Schmied, wie alle anderen sie ihm entgegenbrachten. Eine Ausnahme machte nur der kleine seltsame Priester, der noch immer auf den kleinen Hammer niederstarrte.
»Draußen stehen zwei Männer,« fuhr der Schmied mit schwerfälliger Klarheit fort, »brave Kaufleute aus Greenford, die ihr alle kennt. Sie können beschwören, daß sie mich von vor Mitternacht bis zum Tagesanbruch und auch später noch im Versammlungssaale unserer die ganze Nacht hindurch tätigen Erweckungsmission sahen. In Greenford selbst können noch zwanzig Personen einen Eid für die ganze Zeit ablegen. Wäre ich ein Heide, Herr Inspektor, dann würde ich Sie Ihrem Hereinfall zueilen lassen. Aber als christlicher Mann fühle ich mich verpflichtet, Ihnen die Gelegenheit zu geben und frage Sie, ob Sie mein Alibi jetzt gleich ober vor Gericht hören wollen.«
Der Inspektor schien zum erstenmal unentschlossen und meinte: »Natürlich wäre es mir lieber, Sie jetzt gleich laufen lassen zu können.«
Der Schmied begab sich mit demselben weitausholenden Schritte vor den Hof hinaus und kehrte zu seinen beiden Greenforder Freunden zurück, die tatsächlich auch mit fast allen Anwesenden gut befreundet waren. Jeder der beiden sprach ein paar Worte, die niemand auch nur im entferntesten in Zweifel zu ziehen in den Sinn kam. Als sie geendet hatten, stand die Unschuld Simeons so aufrecht da, wie die große Kirche hinter ihnen.
Die Gruppe war von einem jener Schweigen betroffen, welche eigentümlicher und unerträglicher sind als jede Rede. Gedankenlos und nur um das Gespräch wieder in Fluß zu bringen, bemerkte der Kurat zu dem katholischen Priester: »Sie scheinen sich sehr für diesen Hammer zu interessieren, Father Brown.«
»Ja, das tue ich auch,« versetzte dieser. »Weshalb ist es ein so kleiner Hammer?«
Der Doktor wandte sich ihnen zu.
»Wahrhaftig, das ist richtig,« rief er aus, »wer sollte sich einen so kleinen Hammer aussuchen, wenn deren ein Dutzend große umherliegen?« Dann flüsterte er dem Kurat ins Ohr: »Nur jene Sorte von Leuten, welche keinen großen Hammer heben können. Es handelt sich nicht um den Stärkeunterschied zwischen Mann und Weib, die Schulterhebekraft kommt hier in Frage. Ein kräftiges Weib könnte zehn Morde mit einem leichten Hammer ausführen, ohne sich anzustrengen. Mit einem schweren Hammer hätte sie aber nicht einmal einen Käfer zu töten vermocht.«
Wilfried Bohun starrte ihn wie in hypnotisiertem Schrecken an, während Father Brown, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, wirklich eingenommen und aufmerksam zuhörte. Dann fuhr der Doktor mit zischendem Nachdrucke fort: »Weshalb nehmen diese Dummköpfe immer nur an, die einzige Person, welche den Geliebten einer Frau haßt, müsse deren Gemahl sein? In neun Fällen unter zehn ist die Person, die den Geliebten einer Frau am meisten haßt, diese selbst, wer weiß, was er sich ihr gegenüber an Unverschämtheit oder Verräterei herausgenommen hat – da, sehen Sie.«
Er wies rasch nach dem rothaarigen Weibe auf der Bank. Sie hatte endlich den Kopf erhoben und die Tränen trockneten auf ihrem schönen Gesichte. Aber die Augen blieben
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