PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Reihenfolge der Zertifikate nicht zu verändern. Mit einem hohl klingenden Schlag fiel ein leerer Behälter in die Haltevorrichtung.
25
Im Kommandowagen herrschte angespannte Geschäftigkeit. Man hatte zwar ganze elf Minuten gebraucht, bis man Nutzer des Rohrpostsystems fand, die eine Adressenliste besaßen. Auch Nancy Cole hatte keine Liste. Sie wusste nicht einmal, dass das System existierte. Offenbar schickten die wenigen Leute im College und in den Instituten, die die Rohrpost noch benutzten, ihre Behälter seit Urzeiten immer nur an eine, manchmal vielleicht an zwei bestimmte Adressen. Dazu brauchten sie keine Adressenverzeichnisse, und die Listen verschwanden in irgendwelchen Schiebladen.
Die Adressen stimmten keineswegs mit den Zimmernummern überein, wie man anfangs angenommen hatte. Zunächst war man besorgt, als sich herausstellte, dass das System sich über sechs Gebäude erstreckte und insgesamt 54 Stationen umfasste. Dann ein neuer Schreck, weil die Station 12 auf der Adressenliste nicht verzeichnet war. Glücklicherweise wurde eine Sekretärin gefunden, die sich erinnerte, dass man vor zwei oder drei Jahren alle nicht oder nicht mehr gebrauchten Stationen aus der Liste genommen hatte. Sie hatte tatsächlich eine alte Liste aufgehoben.
Die Station 179 befand sich in der Medizinischen Fakultät an der St. Josephs Universität, auch an der City Avenue gelegen und nur etwas über eine halbe Meile von der Station 12 im College entfernt. Es herrschte nur wenig Betrieb in der Universität, wegen der Ferien und wegen der Tageszeit. Hoover hatte Schwierigkeiten, unauffällig festzustellen, ob das Labor besetzt war, in dem sich die Station befand. Es gab achtzehn Telefonanschlüsse im Labor, dessen Größe Hoover mit über zweihundert Quadratmeter angegeben worden war. Eine Agentin hatte einen weißen Kittel aufgetrieben, klemmte sich ein Notebook unter den Arm und stieß sich den Kopf, als sie die erste Tür zum Labor verschlossen vorfand. Sie ging hinüber zur zweiten Tür, betrat den Raum und begegnete dem zuerst erstaunten und dann interessierten Blick eines jungen Mannes, der gerade eine gelbe Flüssigkeit aus einem Glasbehälter in eine Porzellanschüssel tropfen ließ.
Schnell schaute sich die Agentin um, als ob sie jemanden suchte. Die Klapptüren der Rohrpoststation standen offen, so dass sie keine Nummer sehen konnte. „War eben, also vor kurzem meine ich, noch jemand hier?“, fragte sie.
„Wer? Nein, da war niemand hier. Ich bin allein.“ Der junge Mann suchte offenbar nach Worten.
„Ich suche Benny Tymann. Er wird dann wohl in der Cafeteria sein. Adiós!“
Hoover brachte vorsichtig fünf Leute im ersten Stockwerk in der Nähe des Labors in Stellung. Draußen zogen weitere Leute einen langsam enger werdenden Ring um das Gebäude. Und auch hier waren Tunnel zu überwachen. Die Fenster sollten kein Problem sein, schließlich lag das Labor im ersten Stockwerk, und es gab erstaunlicherweise keine Feuerleitern.
Nach den Beschreibungen der Agentin war nicht anzunehmen, dass der Mann im Labor zu PRIM gehörte. In Spider wurde überlegt, ob man ihn unter einem Vorwand aus dem Labor holen sollte. Wheelwright war dafür, aber Hoover war überzeugt, dass PRIM keine Gewalt anwenden würden. Er befürchtete, dass der junge Mann eine passive Rolle in PRIMs Plänen spielen könnte, und dass sein Abgang aus dem Raum ein Signal für PRIM sein könnte. Zu der Zeit hatte Hoover bereits festgestellt, dass es keine Überwachungskameras im Labor gab, jedenfalls keine, die die Universität installiert hatte.
Inzwischen war ein Vertreter der Firma Brights im Kommandowagen eingetroffen, die einen Vertrag für die Wartung des pneumatische Systems mit der Universität und dem St. Josephs Hospital abgeschlossen hatte. Er hatte ein paar Pläne mitgebracht, die das weit verzweigte System zeigten. Hoover hatte schon beim Anruf bei Brights seine Befürchtung geäußert, dass PRIM in das System eingedrungen waren. Eine Beeinflussung von außen sei wegen der guten Absicherung kaum vorstellbar, war ihm beschieden worden. Nun teilte der Brights-Mann mit, dass in den Logdateien keine Unregelmäßigkeit entdeckt worden war. Hoover war nicht sehr überzeugt. Auf sein hartnäckiges Nachfragen gab der Mann zu, selbst nur wenig Kenntnisse über die Steuerung des Systems zu besitzen. In dem Steuerungsprogramm kannte er sich überhaupt nicht aus. Hoover zwang sich zur Ruhe. Es würde nichts bewirken, jetzt auszurasten. Die
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