Prime Time
anatomisch nicht möglich. Das heißt, jemand hat ihn in verschiedenen Positionen eingeführt. Entweder sie selbst oder jemand anders.«
»War er denn während dieser … Tätigkeiten … geladen?«
»Soweit wir das sagen können, ja.«
Ihr drehte sich der Magen um, sie musste fast würgen.
»Igitt«, sagte sie.
»Hannah Persson?«, fragte Q.
Annika schloss die Augen, legte die Hand auf die Stirn und atmete durch den Mund.
»…allo?«, fragte der Polizist, » … noch da?«
Annika räusperte sich.
»Sie schoss auf dem Parkplatz auf mich zu und fragte, wie es sei, jemanden zu ermorden.«
»Wusste sie, wer Sie sind?«
»Allerdings. Sie bat mich, ihr davon zu erzählen. Fragte, ob es schwer gewesen, was es hinterher für ein Gefühl gewesen sei und dass sie das schon immer wissen wollte.«
»Vielleicht wollte sie Erfahrungen mit Ihnen austauschen?«
»Nein«, sagte Annika. »Sie war neugierig. Sie wusste es nicht. Sie hat mit dem Gedanken gespielt, sich aber nie getraut. Ich weiß, dass es so ist.«
»Die Sache mit dem Scheidensekret wird sich in einer Familienzeitung wie dem
Abendblatt
wahrscheinlich nur schlecht verwenden lassen«, meinte der Kommissar.
»Das ist eine Frage der Schreibtechnik«, entgegnete Annika, und im nächsten Augenblick war die Verbindung abgebrochen.
Sie saß noch eine Weile mit dem Hörer in der Hand da und schluckte das Gefühl des Ekels herunter.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Berit.
Annika legte auf.
»Komm, lass uns einen Kaffee trinken.«
Bambi Rosenberg stieg vorsichtig den Hügel zu den Büroräumen von Zero Television hinauf. Scharfkantiger Schotter rutschte weg und bohrte sich in die dünnen Ledersohlen ihrer Stiefeletten. Sie schwankte.
Die Jeans schnitt ein. Sie hatte zugenommen.
Sie blieb stehen, es fiel ihr schwer, sich zu bewegen. Es war schwer, zu atmen, schwer, einfach da zu sein. Sie sah mit zusammengekniffenen Augen zur Fensterreihe in der dritten Etage hinauf und versuchte, Michelles Zimmer auszumachen.
Helle Wolken vor den Augen machten es unmöglich.
Jetzt war niemand mehr da, der sie verstand.
Sie konnte sich nicht wehren. Diese Erkenntnis ballte sich mit aller Kraft in ihrem Hals zusammen und blieb dort stecken, so dass sie fast würgen musste.
Sie war allein, o Gott, jetzt war wieder nur sie allein da.
Ein kalter Wind fuhr ihr über den Bauch, sie zog die Lederjacke fester um sich.
Wie sollte sie es nur ohne Michelle schaffen.
Es würde alles wieder so schlimm sein wie vorher.
Die Verlorenheit, die Schutzlosigkeit, zu viel Wein, zu viele Hände auf dem Körper. Genau wie früher.
Sie ging schneller und stolperte.
Die Eingangstür war bleischwer, sie musste sich mit beiden Füßen dagegen stemmen. Ein Absatz glitt weg, der Schultergurt der Handtasche rutschte ihr in die Armbeuge, die Handtasche schlug ihr in die Kniekehlen und ging auf.
Wimperntusche, Lippengloss, ein Schokoriegel und ein paar lose Tampons rollten in den Dreck. Ihr schossen die Tränen in die Augen. Sie suchte nach etwas, womit sie die Tür hätte feststellen können, fand aber nichts. So musste sie sich nach vorn beugen, die Tür mit dem Po aufhalten und versuchen, ihre Sachen wieder einzusammeln. Ein Tampon war in eine kleine Pfütze gefallen, wo es sofort zu seiner vierfachen Größe aufgequollen war. Sie ließ ihn liegen.
Eigentlich hatte Bambi Zero Television nie gemocht.
Sie nahm den Aufzug, obwohl sie lieber die Treppe nehmen sollte. Sie sollte sich mehr bewegen, mehr denken. Michelles Stimme klang wie ein Echo von der Neonlampe herab.
Lass das Mittagessen nicht aus. Schmeiß lieber die Chipstüte weg, das ist nur Stärke und Fett, dicke Polster auf den Hüften, findest du das schön?
Zögernd betrat sie die leere Redaktion. Computer und Papier, Staub und Kaffeeflecken. Sie blieb an der Tür stehen und lauschte in die Stille hinein. Es musste doch jemand hier sein, alles war aufgeschlossen. Die Klimaanlage brummte und brachte Luft und Kühle, ansonsten war nichts zu hören.
Sie ging schnell zu Michelles Zimmer.
Als sie am Pausenraum vorbeigegangen war, erblickte sie seinen Rücken. Kurzes graues Jackett, untersetzt.
Das Adrenalin beschleunigte ihre Schritte.
»Was machst du hier?«
Sebastian Follin sah auf. Er hatte Schweiß auf der Stirn, und die Haare standen ihm zu Berge, weil er sich nach vorn über den Tisch gebeugt hatte.
»Oh, hallo, du bist’s.«
Dann wandte er sich wieder um und holte Papiere aus der untersten Schreibtischschublade, aus
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