Prime Time
Sammelkasten und zog ihre Jacke an.
»Die Leute von der Abendschicht müssen noch die Informationen einfügen, die das Verhör mit der Neonazifrau bringt«, sagte sie zu Spiken, als sie, ohne langsamer zu werden, auf den Ausgang zuging. »Bitte sie doch, sich mit der Bereitschaft der Kriminalpolizei kurzzuschließen, ob bei den Ermittlungen im Laufe des Abends noch was Neues rausgekommen ist. Ich bin übers Handy erreichbar.«
»Warum gehen Sie nicht an ihr Telefon«, sagte Tore Brand sauer, als sie am Empfang vorbeikam.
»Weil ich hier bin«, sagte Annika. »Was gibt’s denn?«
»Besuch«, sagte der Hausmeister und zeigte auf die Sitzecke. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Annika ihn wiedererkannte. »Sebastian Follin«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun?«
Der Manager stand rasch auf, drückte die Brille auf die Nase und streckte ihr die Hand entgegen. Annika ergriff sie zögerlich, sie erinnerte sich nur zu gut an den schlappen Waschlappen.
»Sehr erfreut, sehr erfreut«, sagte der Mann. »Ich würde gern ein paar Worte mit Ihnen wechseln.«
»Eigentlich wollte ich gerade gehen«, sagte Annika und zog ihre Hand zurück.
»Ich habe mir gedacht, dass es für Sie doch sicher wichtig ist, alles korrekt zu berichten«, sagte Sebastian Follin, »deshalb habe ich überlegt, ich sage Ihnen, wie das alles eigentlich war.«
Annika betrachtete ihn unsicher und wusste nicht, ob sie sich über seinen Besuch freuen oder ärgern sollte.
»Natürlich«, sagte sie. »Wir können hier miteinander sprechen.«
Sie zog die Jacke aus, sank auf die Sofakante und sah aus den Augenwinkeln, wie Tore Brand eine Zeitung aufschlug.
Jetzt spitzte er die Ohren.
»Ich möchte Sie zunächst darüber informieren, dass ich ab heute alle Interessen Michelle Carlssons vertrete«, sagte der Manager und setzte sich wieder. »Wenn Sie Fragen zu ihrer Arbeit und ihrem Nachlass haben, sollten Sie sich an mich wenden.«
Annika holte brav Block und Stift hervor und legte sich beides erwartungsvoll auf die Knie.
»Wie würden Sie denn die Aufnahmen vom ›Sommerschloss‹ nennen?«, fragte sie ablenkend.
»Sehr geglückt«, sagte der Manager, »wenn man vom Wetter absieht. Das Sendeformat passt wirklich ausgezeichnet zu uns, da sind wir am besten, die breite Familienunterhaltung mit seriösem journalistischem Einschlag. Das macht uns so schnell keiner nach.«
Annika sah auf ihren Block und suchte nach Worten.
»Das muss ein herber Schlag gewesen sein«, sagte sie vorsichtig und schlug den Block auf.
»Schrecklich«, sagte Sebastian Follin und tupfte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab. »Wenn man jemanden, der einem so nahe stand, verliert, dann ist das immer ein Schock, aber das ist längst nicht alles, es gibt so viele Leute, die von der Erinnerung an sie profitieren wollen. Ich werde unsere Rechte in Zukunft streng hüten müssen.«
Annika war wachsam und schaute sich den Mann näher an.
Die hellen Augen waren wieder lebendig, die Haut rosig. Er hatte sich schnell erholt.
»Warum ausgerechnet Sie?«, fragte sie.
Sebastian Follin blinzelte erstaunt.
»Aber wir haben doch alles zusammen gemacht«, sagte er.
»Ich war schließlich ihr Manager. Ja, mehr als das, wir waren Vertraute, die einzigen Freunde. Wir waren ein Team, ein Paar, wir beide. Da werde ich sie jetzt doch nicht im Stich lassen.«
»Ich habe immer gedacht, Bambi Rosenberg wäre die beste Freundin von Michelle gewesen«, sagte Annika.
Der Blick des Mannes veränderte sich, er lehnte sich schnell vor und starrte Annika in die Augen. Sein Atem traf ihr Gesicht, er roch nach Kaffee.
»Ich muss Sie vor Bambi Rosenberg warnen«, flüsterte er mit aufgerissenen Augen. »Wenn Sie Kontakt mit Ihnen aufnehmen will, vergessen Sie nicht, dass sie völlig unzuverlässig ist. Völlig unzuverlässig!«
Annika schreckte zurück, um den Kaffeegestank loszuwerden, sah ihn aber weiter an.
»Inwiefern?«, fragte sie ruhig.
Der Mann rückte nach, beugte sich noch näher zu ihr und sprach etwas lauter.
»Es ist völlig unverständlich, wie Michelle sich mit einer derartigen Null abgeben konnte«, sagte er. »Die hatten doch nichts gemeinsam. Michelle war eine fantastische Naturbegabung, auf ihre Weise einzigartig. Bambi Rosenberg ist ein Silikonmädchen, wie es Dutzende gibt, eine Trittbrettfahrerin auf Michelles Berühmtheit. Ich habe versucht, mit ihr darüber zu sprechen, aber sie wollte nicht auf mich hören.«
Annika wich an die Rückenlehne des Sofas zurück.
»Ich
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