Prime Time
er die Fotos gemacht?«, fragte Berit.
»Im Stall. Heimlich.«
Berit nickte bedächtig, Annika schob ihren Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch.
»Mit wem fährst du?«
»Ich treffe mich in Frankfurt mit Henriksson, dem neuen Bildtypen.«
Annika lehnte sich zurück und sah ihrer Kollegin nach, als sie durch die Redaktion ging. Sie ging stetig und gerade, ruhig und sicher, wechselte ein paar Worte mit Spiken, tätschelte Bild-Pelle den Arm und lachte, grüßte auf dem Weg hinaus Tore Brand.
Sie war seit dreiundzwanzig Jahren mit demselben Mann verheiratet, dachte Annika. Wie war das möglich? Woher nahm man die Geduld und die Sicherheit, die Gewissheit, dass man die richtige Wahl getroffen hatte? Wie konnte man sich auf die Liebe verlassen?
Anne Snapphane ging schnell zum Ausgang. Sie wollte raus aus der Redaktion, weg von Karin Bellhorns Geplapper, zog die Schultern hoch, um die Stimme auszusperren.
Vergebens.
»Anne? Hast du noch einen Moment Zeit? Es dauert nicht lange.«
Sie hielt mitten im Schritt inne, ließ die Arme fallen und stöhnte. Dann drehte sie sich schwerfällig um und sah Karin Bellhorn winken. Mariana von Berlitz und Sebastian Follin waren ebenfalls auf dem Weg zum Pausenraum.
»Ich muss nach Hause«, sagte Anne. »Ich muss Miranda aus der Tagesstätte abholen.«
Ausflüchte.
»Wir haben heute wirklich viel geschafft, nicht wahr?«, sagte die Produzentin. »Wir haben die ganze Saison durchstrukturiert, die Gedenkveranstaltung geplant und die Pressemappen rausgeschickt. Ich finde, es war eine gute Besprechung.«
Keiner antwortete, und Karin Bellhorn beschloss, zur Sache zu kommen.
»Es geht um Michelles Nachlass«, sagte sie über die Schulter und goss sich einen Kaffee ein.
Anne Snapphane lehnte sich demonstrativ an den Türrahmen, der dem Ausgang am nächsten war, und behielt ihre Regenjacke an. Die Produzentin setzte sich umständlich auf die Spüle, schaltete die Abzugshaube ein und zündete sich eine Zigarette an.
»Als ich heute Vormittag kam, ging es in Michelles Zimmer hoch her«, sagte sie erklärend zu Anne. »Deshalb möchte ich ein paar Sachen zu eurer Information sagen.«
Mariana zog sich einen Stuhl heran und setzte sich auf der anderen Seite der Tür hin. Sebastian Follin fummelte an der Kaffeemaschine herum.
»Ab sofort darf in Michelles Zimmer nichts mehr angerührt werden. Wir haben einen Anwalt eingeschaltet, der alle Verträge durchgehen und herausfinden wird, was wem gehört, wo die Urheberrechte liegen und wer was erben wird.
Und das betrifft sowohl das noch unveröffentlichte, das veröffentlichte wie auch das zu wiederholende Material. Der Anwalt wird auch ihre privaten Dinge durchsehen und kontrollieren, ob es vielleicht ein Testament gibt, und dann herausfinden, wer die Erben sind.«
»Warum müssen wir einen Anwalt dafür bezahlen, ihren persönlichen Kram durchzusehen?«, fragte Mariana, deren Stimme hinter der Müdigkeit immer noch scharf klang.
Karin Bellhorn nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und blies den Rauch in Richtung Abzug.
»Wir werden das Anwaltshonorar einfach von deinem Gehalt abziehen«, sagte sie und lächelte matt.
Mariana verzog den Mund.
»Also, die Dokumentation gehört auf jeden Fall mir«, sagte Sebastian Follin.
»Das lassen wir doch lieber den Anwalt entscheiden«, meinte die Produzentin.
Der Manager trank seinen Kaffee in einem Zug aus, stellte ihn auf die Spüle und nahm seine Aktentasche.
»Ich habe einen Termin«, sagte er und ging zum Ausgang.
»Vielen Dank.«
Niemand antwortete. Anne machte Anstalten, ihm zu folgen, als Karin Bellhorns Handy klingelte.
»Wartet einen Moment«, sagte die Produzentin leise zu Anne und Mariana und sah auf das Display. »Ich muss dieses Gespräch entgegennehmen, aber es gibt noch eine Sache, die ich mit euch besprechen möchte. Bin gleich zurück.«
Sie verschwand im Raucherzimmer, der Zigarettenrauch wirbelte wie ein Schleier aus Seide hinter ihr her.
Das Schweigen im Pausenraum war bedrückend. Anne seufzte laut und setzte sich, den Kopf in die Hand gestützt, auf einen Tisch. Mariana von Berlitz konzentrierte sich darauf, den Rock ihres roten Kleides zu glätten, bis sie es nicht mehr aushielt.
»Ich will dir nur sagen, dass es im Laufe der Jahre wahnsinnig anstrengend war mit Michelle«, sagte sie schließlich.
Anne antwortete nicht, sondern versuchte, den Seidenrauch so lange im Blick zu behalten, bis er völlig aufgelöst war.
»Ehe sie auftauchte, hatten
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