Princess Band 47
zu.
"Bis morgen nachmittag", rief er. "So gegen halb drei." Und schon war er verschwunden.
Am nächsten Tag ging Rose pünktlich zum Schloß. Sie wollte Philippe du Caine nicht warten lassen. Sie hatte mit großer Mühe das, was gestern geschehen war, aus ihrem Gedächtnis verdrängt und sich mit dem Gedanken beruhigt, daß er heute völlig mit dem Besuch bei seiner Geliebten in Les Virages beschäftigt sein würde. Trotzdem hatte sie sich fest vorgenommen, ihm keinen Anlaß mehr zu bieten, mit ihr zu flirten.
Der gestrige Abend mit Kerry und Jacques im Haus Therese hatte ihr viel Spaß gemacht. Die beiden waren glücklich miteinander und freuten sich darauf, daß ihre Liebe offiziell bestätigt werden würde. Jacques war erst sehr spät gegangen, aber zum Frühstück schon wieder im Therese-Haus erschienen. Kerry blühte sichtlich auf.
Die Straße zum Schloß endete vor einem großen, schmiedeeisernen Tor in einer hohen Mauer. Es stand weit offen. Dahinter lag der terrassenförmig angelegte Park. Das Schloß aus ockerfarbenem Sandstein hatte vier Türme. Eine breite Treppe, von zwei liegenden Steinlöwen bewacht, führte zur großen Eingangstür hinauf.
Rose ging langsam auf das Schloß zu und bewunderte den herrlichen Garten mit seinen farbenprächtigen Stauden und dichten Buchsbaumhecken. In der Mitte der Anlage befand sich ein kleiner Teich, in dem dicke Goldfische umher schwammen.
Hinter dem Blumengarten sah Rose sattgrüne Rasenflächen und einen Swimmingpool.
Vor der Treppe blieb sie stehen und überlegte, ob sie hinaufgehen und an der Tür läuten oder lieber draußen warten sollte. Noch bevor sie einen Entschluß gefaßt hatte, öffnete sich die Tür, und eine alte Dame kam heraus. Sie wurde von einem großen sandfarbenen Hund begleitet, den sie an einer Leine hielt. Als der Hund Rose erblickte, bellte er warnend und lief dann langsam weiter auf die Stufen zu. Kurz davor blieb die alte Dame stehen und tastete nach dem Geländer.
"Guten Tag, Madame", sagte Rose und kam näher.
"Guten Tag, Mademoiselle, warten Sie auf Philippe?"
Die alte Dame, die das Geländer fest umklammert hielt, stieg langsam die Stufen herab. Rose sah, wie vorsichtig sie sich bewegte, und plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie wahrscheinlich blind war. Rose hatte es nicht gleich bemerkt, weil sie trotz ihrer Behinderung sehr geschickt und sicher wirkte. Doch wenn man genauer hinschaute, konnte man erkennen, daß ihre Augen starr auf einen fernen Punkt gerichtet waren.
"Ja", erwiderte Rose, "ich bin mit Monsieur du Caine verabredet."
Die alte Dame richtete ihre Augen auf Rose, und es war schwer zu beurteilen, ob sie etwas erkennen konnte oder nicht.
"Dann sind Sie wohl die junge Dame aus England, die Philippe nach Les Virages mitnehmen will?" Bisher hatte sie Französisch mit Rose gesprochen, doch jetzt wechselte sie ins Englische, das sie ohne wahrnehmbaren Akzent sprach. "Philippe hat mir von Ihnen erzählt. Wie war doch gleich Ihr Name? Ich habe ihn leider nicht behalten, wofür ich mich entschuldigen möchte."
Sie streckte Rose ihre Hand entgegen. Dem überraschend festen Druck nach zu schließen, verfügte die alte, zerbrechlich wirkende Frau über ziemliche Kräfte.
"Ich bin Rose Robinson", stellte sich Rose vor.
"Und ich bin Celia Grantchester, Philippes Großtante. Wußten Sie, daß ich schon über fünfzig Jahre auf dem Schloß bin? Was für eine lange Zeit!"
"Aber bestimmt reisen Sie doch ab und zu nach England?"
"Natürlich, Rose. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie bei Ihrem Vornamen nenne?" Sie schien gespürt zu haben, daß Rose nickte, denn sie fuhr lächelnd fort: "Danke. Ja, ich war oft in England, aber jetzt ist mir die Reise zu anstrengend geworden, und außerdem habe ich keine große Sehnsucht mehr nach meiner alten Heimat. Ich fühle mich hier zu Hause und komme mir immer ein wenig verloren vor, wenn ich das Schloß verlasse. Ich bin blind, müssen Sie wissen. Allerdings merke ich den Unterschied zwischen hell und dunkel und kann sogar erkennen, wo Sie stehen. Wie Sie aussehen, kann ich leider nicht erkennen. Danach muß ich Philippe fragen. Kommen Sie, dort drüben steht eine Bank. Setzen wir uns ein wenig hin. Wenn Sie mir Ihren Arm reichen, kann ich Gigi von der Leine losmachen."
Miss Grantchester brauchte nicht viel Hilfe. An der Bank angekommen, tastete sie nach der Sitzfläche und setzte sich. Einladend klopfte sie auf den Platz neben sich.
"Nehmen Sie Platz, Rose. Worüber
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