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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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vertrauenswürdigen Mittelsmann auswählen würde, um den ersten Kontakt herzustellen.«
    Saturn grinste, was sein unrasiertes Gesicht noch dunkler wirken ließ, und schüttelte den Kopf. »Wir alle wissen, dass es im Reich nur einen Falschmünzer gibt, der in dieser Größenordnung agieren kann. Ihr müsst nicht zusammenzucken, ich werde seinen Namen hier nicht laut aussprechen. Ihr möchtet uns also glauben machen, dass Ihr im Namen eines Stellvertreters von ihm sprecht?«
    »Eines riesengroßen einarmigen Kerls, eines Ausländers«, räumte Mr. Baynes ein.
    Ein kurzes, bedeutungsschweres Schweigen. Bis jetzt hatte Mr. Baynes eine ganz passable Vorstellung geboten. Doch es war schlechter Ton, eine solche Information preiszugeben, und er wusste es.
    »Wie Ihr seht, scheue ich mich nicht, solche Daten zu enthüllen, so groß ist mein Vertrauen, dass er nur mich als Mittelsmann einsetzen wird.«
    Doc und Saturn nickten weise, aber der Schaden war angerichtet, und Mr. Baynes wusste es, obschon er es vielleicht nicht zugab.
    Der syphilitische Knacker auf dem Boden, der eine ganze Zeitlang wie tot gewirkt hatte, rührte sich nun schon seit Mr. Baynes’ Eintreten. Daniel vermutete, dass es eine Folge dessen war, wie sie die Stühle umgruppiert hatten, denn Daniel hatte sich an eine andere Stelle zwischen der Elendsgestalt und ihrem kostbaren Kohlenfeuer gesetzt und hielt so das bisschen Wärme ab, das davon ausging. Nun gab der Knacker Geräusche von sich, die darauf hindeuteten, dass er sich aufsetzte. Daniel drehte sich nicht nach ihm um – das musste er nicht, da Saturn die Vorgänge mit höchstem Ekel verfolgte. Irgendetwas sagte Daniel, er solle aufstehen und aus dem Weg gehen.
    Er und die meisten anderen Fellows der Royal Society erkannten Syphilis und Lepra als unterschiedliche Krankheiten an, die sich auf je verschiedene Weise verbreiteten. Doch die meisten anderen Menschen setzten die beiden Krankheiten gleich und schreckten daher vor Syphilitikern auf ganz ähnliche Weise zurück, wie sie vor Leprösen zurückschrecken würden. Dies erklärte vollständig, wie Saturn jetzt reagierte. Daniel, obgleich Fellow der Royal Society, fiel in der Gruppe in den Aberglauben zurück und hielt größtmöglichen Abstand zu dem Knacker, während dieser auf den Herd halb zukroch, halb zuwankte. Einige seiner Gliedmaßen schleiften gefühllos über den Boden, während andere sich in Zuckungen bewegten, als würden sie von unsichtbaren Hornissen gestochen. Sein Nest aus schmutzigen Decken hinter sich herziehend, schob er sich an den Herd, wodurch er das Licht des Feuers vollständig verfinsterte, beugte sich ganz dicht darüber und rieb mit seiner zuckenden Hand die gelähmte. Sein graues Haar würde nun herabhängen und in den Kohlen verbrennen, wenn er oder irgendwer es nicht in einer Art Lumpen-Turban hochgebunden hätte.
    »Die Fragen, die dieser ausländische Gentleman mir stellen wird, lassen sich leicht erahnen«, bemerkte Mr. Baynes.
    »In der Tat«, erwiderte Saturn. »Der Flitter stammt aus Amerika.«
    »Da Dr. Gatemouth, wie bekannt, vor kurzem aus Boston herübergekommen ist, hat sich auch niemand eingebildet, das Zeug käme aus Guinea«, sagte Mr. Baynes mit gesuchter Gehässigkeit. »Der ausländische Gentleman wird wissen wollen: Sind an den Ufern des River Charles reiche neue Goldvorkommen entdeckt worden? Denn falls ja -«
    »Wenn der ausländische Gentleman wirklich den Falschmünzer vertritt, an den wir beide denken, dann muss er ein vielbeschäftigter Mann sein und wenig Neigung verspüren, sich lange, langweilige Geschichten von Piratenabenteuern vor der Nordküste von Südamerika et cetera anzuhören«, sagte Saturn. »Genügt es ihm nicht zu wissen, dass es sich tatsächlich um Flitter handelt? Denn das Entscheidende am Flitter ist doch, dass er sich mit anderem Flitter vermischen lässt und es keine Rolle spielt, wo er aus der Erde geholt wurde.«
    »Der ausländische Gentleman findet, dass es sehr wohl eine Rolle spielt, und achtet außerdem stets auf Unstimmigkeiten in Erzählungen. In seiner Welt, wo der Handel zwangsläufig äußerst informell und ad hoc betrieben wird, ist eine schlüssige Geschichte schlechterdings die einzige Möglichkeit, sich Kredit zu verschaffen.«
    »Was das angeht, hat Mr. Baynes recht«, sagte Saturn in einem Aparte zu Daniel. »Solche Männer sind Literaturkritiker von überragendem Scharfsinn.«
    »Keine überzeugende Geschichte bedeutet keinen Kredit und keine

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