Principia
den Bewohnern der Pfarrgemeinde St. Bride durch seine matschige Nekropole geschützt. Während sie in The Wilderness Tempo zulegten, malte sich Daniel aus, sie wären im Begriff, einen Frontalangriff auf Bridewell Palace zu führen, würden über das löchrige, klumpige Glacis des Friedhofs galoppieren, um die Türen einzudrücken und die Huren zusammenzutreiben. Doch im letzten Moment schwenkten sie rechts auf die Dorset ab und sprengten geradewegs in das Holzlager hinein, das sich dort entlang dem Flussufer erstreckte.
An dessen Anleger hatten, von Holzstapeln gegen die Blicke etwaiger Unterwelt-Wachen abgeschirmt, die von hohen Fenstern in Bridewell herunterspähen mochten, zwei Leichter festgemacht. Sie waren mit Ruderern wohlbemannt und bereit, abzulegen und loszufahren.
Eine kurze Fahrt im Dämmerlicht hatte die Messengers (insgesamt ein halbes Dutzend) sowie Daniel, Sir Isaac und ihren Gefangenen zu dieser Schaluppe, der Atalanta, gebracht. Für das nächtliche Unternehmen hatte man die Atalanta alles überflüssigen Zierrats entkleidet, und sie war inkognito; doch das Wappen auf einer ihrer eingerollten Flaggen war das von Charles White. Die Atalanta war seine eigene Jacht. Die Königin würde, wenn man sie darauf aufmerksam machte, zweifellos sehr dankbar sein.
Charles White hatte die kurze Ruderfahrt damit verbracht, Knie an Knie mit Mr. Baynes zu sitzen, geistesabwesend mit der an seiner Uhrkette befestigten Sammlung getrockneter Menschenohren zu spielen und sich laut zu fragen, wie lange es wohl dauern werde, flussabwärts bis zum Tower von London zu fahren, wo sämtliche wirklich erstklassigen Folterinstrumente vorhanden waren. Er hatte ein spekulatives Kolloquium mit seinen Messenger-Kollegen gehalten, bei dem es um die Frage ging, ob es wohl genügen würde, Mr. Baynes lediglich unterwegs kielzuholen; ob sich die Effektivität besagten Kielholens vielleicht dadurch steigern ließe, dass man es an der (hundert Ellen entfernten) Stelle vornahm, wo der Fleet Ditch in die Themse mündete; ob, mit anderen Worten, Mr. Baynes’ Sprechfähigkeit behindert oder verbessert würde, wenn man ihn zwänge, Abwässer zu schlucken; oder ob man ihn würde kielholen und dann die Einrichtungen im Tower nützen müssen. Das Problem nämlich war, dass Verräter, denen es ohnehin bestimmt war, öffentlich aufgehängt, kastriert, ausgeweidet und gevierteilt zu werden, häufig keinen Anreiz zum Reden sahen.
Einer von Whites Leutnants – ein jüngerer Gentleman, wahrscheinlich eigens für die Rolle ausgesucht, weil er ein freundliches Gesicht hatte und blond war – erhob dann folgenden Einwand: Mr. Baynes blühe ja vielleicht gar nicht der für Menschen ausgelegte Schlachterklotz in Tyburn, denn es sei ja eigentlich noch nicht bewiesen, dass er ein Verräter sei. Er wurde rundweg niedergebrüllt. Doch etwas später erhob er abermals denselben Einwand und bekam schließlich die Erlaubnis, sich näher zu erklären.
Ein gerissener Anwalt, sagte er, könnte vielleicht argumentieren, dass Mr. Baynes in Wahrheit ein getreuer Untertan Ihrer Majestät sei.
Doch, doch, so abwegig sei das gar nicht! Denn Dr.Waterhouse sei ja wohl eindeutig ein getreuer Untertan, der lediglich so getan habe, als verhandle er mit Falschmünzern, um mittels dieser List Informationen zu sammeln. Könnte Mr. Baynes’ Anwalt nicht die gleiche Behauptung vorbringen?
Nein, das sei schon auf den ersten Blick lächerlich, gab Charles White zurück – zur großen Bestürzung von Mr. Baynes, der Anzeichen leiser Hoffnung gezeigt hatte.
Denn (fuhr White fort) Mr. Baynes habe ja keine derartigen Informationen geliefert, besitze wahrscheinlich gar keine. Das Ausgeweidet- und Gevierteiltwerden bleibe ihm also mit Gewissheit nicht erspart, und es stelle sich lediglich die Frage, wie grässlich seine Foltern bis dahin ausfallen müssten, damit er sich so verhalte, wie er sollte.
Daniel hatte während dieser Vorgänge das Pech, mit dem Gesicht nach achtern im Bug des Leichters zu sitzen. Das verschaffte ihm einen ungehinderten Blick auf Charles Whites breiten Rücken und Mr. Baynes’ haar- und zahnlosen Kopf, der sich häufig hoch- oder zur Seite reckte, um das Boot nach einem mitfühlenden Gesicht abzusuchen.
Für Daniel mochte es vollkommen offensichtlich sein, dass das Ganze eine kindische Maskerade war, inszeniert, um mit Mr. Baynes’ schrecklichen Ängsten zu spielen und ihn ohne Daumenschrauben mürbe zu machen. Doch Mr. Baynes – ein aus einem
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