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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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einem Schlaganfall verschieden war, bis er sah, dass sich die gefesselten Arme des Gefangenen langsam hoben und senkten, während sich seine Lunge füllte und leerte wie der Blasebalg eines irischen Dudelsacks.
    Daniel wünschte, er könnte ebenfalls einschlafen. Ein paar Minuten lang saß er da und nickte benommen im Licht der Kerzenflamme. Doch er konnte Füße in Stiefeln mit Sporen hören, die über ihm an Deck auf und ab gingen, und wusste sehr wohl, dass sie nicht in einer friedlichen Bucht, sondern nur ein paar Ellen von Black Friars, London, entfernt ankerten.
    »Wacht auf.«
    »Eh -?« Baynes stemmte sich gegen seine Eisen, bereute es dann und setzte sich auf, wobei seine Wirbelsäule knirschte und knarzte wie ein alter Mast von einem Windstoß. Sein Mund war ein trockenes, wie eine Wunde einwärts gestülptes Loch. Er wich Daniels Blick aus.
    »Werdet Ihr mit mir reden?«, fragte Daniel.
    Mr. Baynes erwog es, sagte jedoch nichts. Daniel stand auf. Mr. Baynes beobachtete ihn von der Seite. Daniel griff in seine Tasche. Baynes erstarrte, machte sich darauf gefasst zu leiden. Daniel zog die Faust aus der Tasche, drehte sie um, öffnete sie und stellte auf dem Handteller Mr. Baynes’ Gebiss zur Schau.
    Baynes machte große Augen und stieß zu wie eine Kobra, den Mund weit aufgerissen. Daniel schob ihm die Zähne hinein, und der andere sog und schlürfte sie an ihren Platz. Daniel trat zurück und wischte sich die Hand an der Hose ab, und Mr. Baynes richtete sich auf, und es schien, als hätte er den alten, fehlerhaften Schädel, mit dem er erwacht war, gegen einen neuen und besseren eingetauscht.
    »Ihr seid ein Gentleman, Sir, ein Gentleman. Ich habe Euch auf den ersten Blick als solchen erkannt -«
    »Ich bin in Wirklichkeit kein Gentleman, kann aber ein freundlicher Mann sein. Mr. Charles White ist ein Gentleman. Er hat bereits erklärt, was er mit Euch zu tun gedenkt. Er meint, was er sagt. Ich bin überrascht, dass Ihr noch beide Ohren habt. Rettet Eure Ohren und alles andere, indem Ihr mir sagt, wo und wann Ihr den einarmigen Ausländer treffen sollt.«
    »Ihr wisst natürlich, dass man mich umbringen wird.«
    »Nicht, wenn Ihr Eurer Königin so dient, wie Ihr sollt.«
    »Aber dann wird mich Jack der Falschmünzer umbringen.«
    »Und wenn nicht Jack, dann das Alter«, erwiderte Daniel, »es sei denn, ein Schlaganfall oder der Typhus rafft Euch vorher dahin.Wenn ich eine Möglichkeit wüsste, wie man den Tod vermeiden kann, würde ich sie Euch und der ganzen Welt mitteilen.«
    »Sir Isaac soll angeblich eine Möglichkeit kennen.«
    »Alchimistischen Unsinn von sich zu geben ist keine Möglichkeit, sich meine Gunst zu erwerben. Mir den Aufenthaltsort des einarmigen Ausländers mitzuteilen dagegen schon.«
    »Was die Sterblichkeit angeht, leuchtet mir Euer Argument ein. In Wahrheit ist es nicht die Angst um mein eigenes Schicksal, die mir den Mund verschlossen hat.«
    »Sondern?«
    »Das meiner Tochter.«
    »Und wo ist Eure Tochter?«
    »In Bridewell.«
    »Ihr fürchtet, dass man Rache an ihr übt, wenn Ihr den Queen’s Messengers helft?«
    »Ja. Denn sie ist der Schwarzen Garde bekannt.«
    »Bestimmt hat Charles White die Macht, ein Mädchen aus Old Nass herauszuholen«, überlegte Daniel. Dann hielt er inne, verblüfft darüber, sich selbst wie einen Kriminellen reden zu hören.
    »Richtig. Und von dort geht es dann geradewegs in seine Schlafkammer, wo sie seine Hure sein darf, bis er sie verschlissen hat, worauf er ihr zweifellos ein anständiges Begräbnis im Fleet Ditch verschaffen würde!« Sich diesen Horror vorzustellen regte Mr. Baynes ebenso sehr auf, wie wenn er ihn erleben würde, und er war in Zuckungen verfallen, sein Holzgebiss klapperte, und klarer Rotz lief ihm aus einem Nasenloch.
    »Und Ihr glaubt, ich sei ein anständiger Mensch?«
    »Ich habe es vorhin schon gesagt, Sir, Ihr seid ein wahrer Gentleman.«
    »Wenn ich Euch mein Wort gebe, dass ich zum Spinnhaus gehe und mich um Eure Tochter kümmere -«
    »Nicht so laut, ich flehe Euch an! Denn ich möchte nicht, dass Mr. White auch nur weiß, dass sie existiert!«
    »Ich bin vor ihm nicht weniger auf der Hut als Ihr, Mr. Baynes.«
    »Dann – gebt Ihr mir Euer Wort, Dr. Gatemouth?«
    »Ja.«
    »Sie heißt Hannah Spates, und sie klopft Hanf in Mr. Wilsons Werkstatt, denn sie ist ein kräftiges Mädchen.«
    »Abgemacht.«
    »Bitte schickt die Queen’s Messengers herein.«
     
    Daniels Belohnung für diesen improvisierten Gnadenakt war

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