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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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oder Signalfeuer hatte entzünden können, und spätere Generationen von Dummköpfen hatten ihn als Fundament eines dauerhaften Turms verwendet.
    Im Aufblicken stellte er fest, dass Oberst Barnes verschwunden war – zum Pläneschmieden aufs Quarterdeck gerufen – und Bob Shaftoe ihn mit einem geradezu bösen Blick bedachte.
    »Habt Ihr mir irgendetwas vorzuwerfen, Sergeant?«
    »Als Ihr das letzte Mal im Tower geschlafen habt«, entgegnete Bob – er sprach von etwas, das sich am Vorabend der Glorreichen Revolution ereignet hatte -, »habt Ihr mir folgende Geschichte erzählt: Ihr hättet mit eigenen Augen ein bestimmtes Kindchen in Whitehall Palace aus der Vagina der Königin von England herauskommen sehen. Ihr und ein Zimmer voller angesehener Leute.«
    »Ja?«
    »Tja, und mittlerweile ist das Kindchen erwachsen, wohnt in St. Germain und bildet sich ein, es wird unser nächster König, richtig?«
    »So hört man immerzu.«
    »Und dabei nennen die Whigs ebendiesen Menschen den Wechselbalg und sagen, er sei ein ganz gewöhnlicher Bankert, ein Waisenkind, das in einer Wärmepfanne in den Palast eingeschmuggelt und niemals durch die Vagina der Königin gedrungen sei – jedenfalls so lange nicht, bis er alt genug war, um es in die andere Richtung zu tun.«
    »Richtig, das sagen sie unaufhörlich.«
    »Und wo steht Ihr in diesem Punkt?«
    »Da, wo ich schon immer gestanden habe. Denn vor hundert Jahren lief mein Vater in London umher und verkündete, dass alle Könige und Königinnen gewöhnliche Bankerte und Schlimmeres seien und dass auch der allerbeste unter ihnen nicht geeignet sei, über einen Heuhaufen zu herrschen.«
    »Es spielt also keine Rolle für Euch.«
    »Ihre Blutlinien nicht. Ihre Angewohnheiten und ihre Politik – das ist etwas anderes.«
    »Und deshalb verkehrt Ihr mit Whigs«, sagte Bob, der endlich ein gewisses Maß an Gelassenheit gewann, »denn die politischen Vorstellungen von Sophie sind mehr nach Eurem Geschmack.«
    »Ihr habt doch nicht etwa angenommen, ich wäre ein Jakobit!?«
    »Ich musste fragen.« Bob Shaftoe hörte endlich auf, Daniel ins Gesicht zu starren, und blickte sich um. Sie waren nordwärts The Hope hinabgefahren, erreichten nun aber den Punkt, wo sie in Richtung Osten um die letzte Biegung des Flusses herumschauen und die verblüffende Aussicht auf Wasser, das sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckte, erblicken konnten.
    »Lord Bolingbroke dagegen, der ist ein Jakobit«, bemerkte Bob. Was genauso war, als äußerte man die Ansicht, der Fleet Ditch sei ungesund.
    »Seht Ihr ihn häufig?«, erkundigte sich Daniel.
    »Ihn sehe ich häufig«, sagte Bob, wandte den Kopf leicht in Richtung Quarterdeck und blickte zu dem Banner auf, das am Besanmast flatterte und das Wappen von Charles White trug. »Und Ihr müsst wissen, dass er die Peitsche ist, mit der Bolingbroke knallt.«
    »Das habe ich nicht gewusst«, bekannte Daniel, »aber es klingt sehr wahr.«
    »Bolingbroke ist der Liebling der Königin«, fuhr Bob fort, »und zwar, seit er Marlborough aus dem Land vertrieben hat.«
    »So viel weiß selbst ein Bewohner Bostons.«
    »Nun haben die Whigs – speziell Euer Freund – eine Privatarmee aufgestellt.«
    »Schon als wir uns vor einigen Wochen auf der London Bridge begegnet sind, habt Ihr, wenn auch sehr vage, darauf angespielt«, sagte Daniel. Zum ersten Mal, seit er aufgewacht war, beschlich ihn nun Furcht. Nicht die stärkende, kräftigende Furcht, die sich einstellte, wenn man in einem kleinen Boot unter der London Bridge hindurchschoss, sondern die unbestimmte, schwelende Angst, die ihn die ersten Wochen nach seiner Rückkehr nach London ans Bett gefesselt hatte. Sie war vertraut und insofern merkwürdig tröstlich.
    »Die Whigs flüstern in eine Menge Ohren«, fuhr Bob fort und warf einen flüchtigen Blick auf die Stelle, wo eben noch Oberst Barnes gestanden hatte. »Bist du für uns oder gegen uns? Wirst du aufstehen und dich zählen lassen? Wenn die Hannoveraner herrschen, werden sie dich dann als jemanden kennen, der loyal war und dem man ein Kommando anvertrauen kann?«
    »Ich verstehe. Solchen Reden ist schwer zu widerstehen.«
    »Nicht so schwer, wenn gleich dort drüben Marlborough ist« – dies mit einem Nicken zum östlichen Horizont -, »aber inzwischen kommt ein noch größerer Gegendruck von Bolingbroke.«
    »Was hat Lord Bolingbroke getan?«
    »Bis jetzt hat er noch nicht Farbe bekannt und irgendetwas getan. Aber er macht sich bereit, etwas zu tun,

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