Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Feueralarm. Irgendwo jenseits des Burggrabens brannte ein Gebäude. Normalerweise wäre Dart als einer der ersten am Schauplatz gewesen, denn er liebte ein schönes Feuer. Aber er hatte hier ernste Verpflichtungen.

Schaluppe Atalanta, The Hope
    SPÄTNACHMITTAG
    Nachdem Oberst Barnes einiges an Aufklärung in Empfang genommen hatte, wofür er in Oxford oder Cambridge eine ansehnliche Summe hätte bezahlen müssen, konnte er Daniel schwerlich einen Blick auf die Karte verweigern. Sie stiegen auf das Oberdeck hinab und breiteten sie auf dem Deckel eines Fasses aus, damit Sergeant Bob Shaftoe gemeinsam mit ihnen darüber brüten konnte. Es war keine edle, auf vergoldetem Pergament von Hand gezeichnete Karte, sondern ein ganz gewöhnliches Ding, ein auf Schreibpapier gedruckter Holzschnitt.
    Ein Kartograph hätte durchaus überzeugend argumentieren können, dass dieser Teil der Welt die kartographische Erfassung nicht lohnte, denn es gab darin nichts als Schlamm, und was dieser an Merkmalen besaß, änderte sich von Stunde zu Stunde. Die Karte war übersät mit Ortsnamen wie Foulness, Hoo, the Warp und Slede Ooze. Es war, als würfe England bestimmte Wörter, wenn es sie abgenutzt hatte, in die Gosse – wie jemand sich von seiner Tonpfeife trennt, wenn ihr Stiel bis auf einen winzigen Stummel abgebrochen ist – und die Themse trüge diese Wörter zusammen mit Abfall, Kot und toten Katzen landabwärts und verstreute sie entlang den Untiefen und Sandbänken in der Mündung.
    Der stetig breiter werdende Strom schwenkte unmittelbar vor ihnen nach links. Ein, zwei Meilen später würde er, wie Daniel der Karte entnahm, seinen Verlauf wieder berichtigen und sich kurz danach ins Meer ergießen. Dieser Flussabschnitt hieß The Hope, Hoffnung, und mochte für Sir Isaac durchaus ein passender Name sein.
    The Hope umschrieb eine hammerkopfförmige Ausbuchtung von Kent, die keine deutliche Grenze zwischen Sumpf und Wasser, dafür aber eine meilenbreite Zone zwischen Hoch- und Niedrigwasser aufwies – bei Ebbe halbierte der Fluss seine Breite. Weil Daniel wusste, wohin sie fuhren, zog er mit dem Finger die flache Oberseite des Hammerkopfes in Ostrichtung nach, bis er die halbkreisförmige Finne an dessen meerwärts liegender Seite erreichte. Sie trug die Bezeichnung Isle of Grain. Die Themse floss an ihrer nördlichen, der Medway an ihrer südlichen Wange entlang. Die beiden Flüsse trafen vor der Ostspitze der Insel zusammen. Und genau wie zwei Träger, die ihre Last mitten auf der Straße abwerfen, um sich darum zu prügeln, wer den Vortritt hat, luden die beiden Flüsse an der Stelle, wo sie zusammentrafen, allen Schmutz ab, den sie zum Meer getragen hatten. Auf diese Weise hatte sich eine riesige Bank gebildet, eine Ausbauchung, die sich vom unbestimmten Ufer der Isle of Grain aus ostwärts vorschob, und während diese Ausbauchung Meile um Meile ins Meer hinausragte, verschmälerte und verjüngte sie sich, spitzte sich zu einem schlanken Stachel zu, der zwischen Foulness Sand im Norden und The Cant im Süden weit ins Brackwasser hinausreichte. Am äußersten Ende dieser Bank befand sich die Buoy of the Nore. Die Mündung gähnte nach Osten wie der Mund einer Viper, die spitz zulaufende Sandbank des Nore wie eine stachelförmige Zunge in der Mitte herausgestreckt. Die Wassertiefe bewegte sich in jenem verfluchten Zwischenbereich – zu seicht für die meisten Schiffe und zu tief für jedes Tier.
    Doch noch weit vor der Boje, unmittelbar vor der Küste der Isle of Grain, lag ein Ort, der gezeitenabhängig von Boot und Tier erreicht werden konnte. Er war winzig, wie eine über die Seite krabbelnde Mücke. Daniel musste sich nicht hinabbeugen und die kritzeligen Buchstaben anstarren, um zu wissen, dass es sich um Shive Tor handelte.
    Als er den Blick von der Karte hob, um die unbestimmte Küstenlinie zu mustern, sah er einige Stellen, an denen das alte Gebein der Erde wie Knöchel beinahe aus dem Fleisch hervorstand, das die Flüsse darübergebreitet hatten. Eine davon war der Shive, der eine Meile vor der Hochwasserlinie der Isle of Grain lag. Er hatte sogar sein eigenes System von Sandbänken und tiefen, unbewegten Stellen, in dem sich das größere System widerspiegelte, von dem es ein Teil war. Daniel vermutete, dass es irgendein Dummkopf vor langer Zeit für angezeigt gehalten hatten, Steine zu diesem steinigen Hindernis zu schaffen und sie zu einem Cairn aufeinanderzuhäufen, von dem aus man nach Wikingern Ausschau halten

Weitere Kostenlose Bücher