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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gründen wollen? Warum wollte Roger, dass er eine Methode zur Ermittlung des Längengrades fand, und Leibniz, dass er eine Denkmaschine herstellte? Warum verfolgten ihn Leute wie Saturn durch Hockley-in-the-Hole und verlangten nach geistiger Anleitung? Warum bat ihn Isaac um Hilfe? Warum erwartete Mr. Baynes von ihm, dass er sich um seine ungeratene Tochter in Bridewell kümmerte? Warum hatten Oberst Barnes und Sergeant Shaftoe ihm heute diese pointierten Fragen gestellt?
    Weil sie alle Angst hatten, sich genau wie Daniel nach Hoffnung sehnten und irgendwen suchten, der sie ihnen vermitteln konnte; und wenn sie ein geistiges Inventar dessen aufnahmen, wer Angst hatte und wer nicht, dann geriet Daniel eben irgendwie – sei es aufgrund eines grotesken Irrtums oder eines Wunders – in die Spalte derer, die keine Angst hatten.
    Daniel musste lachen, als er das verstand. Dies mochte Bob Shaftoe entnervend finden. Aber weil Bob sich angewöhnt hatte zu glauben, dass Daniel keine Angst hatte, deutete er es als weiteren Beleg für Daniels überragendes und unheimliches Selbstvertrauen.
    Was war damit anzufangen? Daniel erwog kurz, einen der Drucker im Kirchhof von St. Paul zu beauftragen, ein Flugblatt herzustellen, mit dem er, Daniel Waterhouse, der ganzen Welt erklärte, dass er fast ständig eine Heidenangst hatte. Zu anderen Zeiten wäre dies vielleicht eine angemessene Vorgehensweise gewesen – zwar demütigend, aber ehrlich, und eine sichere Methode, sich all die Bedürftigen vom Hals zu schaffen, die sich von seinem vermeintlich üppigen Vorrat an Hoffnung nähren wollten.
    Aber das hieße, die Geschichte von der Büchse der Pandora mit den Augen eines Kindes sehen und sich die Hoffnung als einen Engel vorstellen. Vielleicht war, was Pandora hatte, in Wirklichkeit bloß ein Schachtelmännchen, und die Hoffnung war nie etwas anderes gewesen als ein mechanischer Hanswurst, ein deus ex machina.
    Gott aus der Maschine. Daniel hatte genügend Zeit mit Theatermaschinen verbracht, um ihre Wirkungsweise und ihren Effekt auf das Publikum mit zynischem Blick zu sehen. Hatte sogar eine lange Phase durchgemacht, in der er das Theater ebenso verachtet hatte wie das gemeine Volk, das Geld dafür bezahlte, dass es sich narren ließ.
    Doch als er aus Boston (wo es keine Theater gab) nach London (das welche hatte) zurückgekehrt war, hatte er erkannt, dass sein Zynismus unbegründet war. London war wegen seiner Theater eine bessere Stadt, England ein fortgeschritteneres Land. Dass sich Menschen von Schauspielern oder auch Maschinen narren ließen, war nicht falsch.
    Und deshalb war Hoffnung, und mochte sie auch künstlich sein – etwas, das ein Mechanismus von Hebeln und Federn aus der Büchse der Pandora hervorschnellen ließ -, keineswegs etwas Schlechtes. Wenn sich also eine Gruppe von Menschen aufgrund von Selbsttäuschung einbildete, er, Daniel, habe keine Angst, und daraus Hoffnung und Mut schöpfte, so war das ausgezeichnet. Daniel war gezwungen, auf der Bühne zu bleiben und seine Rolle zu spielen, und sei sie noch so falsch. Denn dadurch, dass er das tat, konnte er vielleicht der ansteckenden Panik entgegenwirken, die Leute wie Bolingbroke veranlasste, so abgrundtief dumme Schachzüge zu tun. Falsche, maschinell hergestellte Hoffnung konnte echte Hoffnung erzeugen – das war die wahre Alchimie, die Verwandlung von Blei in Gold.
    »Charles White ist Lord Jeffreys sehr ähnlich, meint Ihr nicht auch?«
    »In vieler Hinsicht ja.«
    »Entsinnt Ihr Euch noch des Abends, an dem wir Jeffreys wie einen tollwütigen Hund aufgespürt, festgenommen und der Justiz überantwortet haben?«
    »Und ob, die Geschichte hat mir ein Vierteljahrhundert lang Einladungen zum Essen eingebracht.«
    Das erklärte eine ganze Menge, denn wahrscheinlich war die Geschichte beim Wiedererzählen ausgeschmückt worden, und Daniel war darin heldenhafter weggekommen, als er bei dem tatsächlichen Ereignis gewesen war.
    »Als wir beide an jenem Abend den Tower verlassen haben, sind wir John Churchill begegnet – ich benutze seinen Namen so, weil er damals noch nicht Marlborough war.«
    »Daran kann ich mich erinnern. Und Ihr beide seid auf dem Fußweg zu einem vertraulichen Gespräch beiseitegetreten, damit niemand mitbekommt, was Ihr sagt.«
    »Richtig. Und das Thema dieses Gesprächs muss so vertraulich bleiben wie eh und je. Aber wisst Ihr auch noch, wie es geendet hat?«
    »Ihr beide habt Euch mit sehr wichtiger Miene die Hand gegeben, als würdet Ihr

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