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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Paul’s, etwa eine Meile entfernt. In der entgegengesetzten Richtung und nur halb so weit entfernt der Tower von London. Genau unter ihnen und so nah, dass sie das Knirschen des von der auslaufenden Strömung angetriebenen holländischen Pumpwerks hören konnten, die London Bridge.
    »Tomba! Was machen diese verdammten Söhne Israels hier?!«, fragte er den Neger.
    Tomba saß im Schneidersitz in der südöstlichen Ecke der Plattform. Auf seinem Schoß lag ein Flaschenzug, in der Seemannssprache eine Talje, von der Größe eines Stierkopfes. Er nahm einen Fitt aus Walbein aus dem Mund und sagte: »Sie sind hier raufgekommen, um die Aussicht zu genießen, Mann. Sie haben uns überhaupt nicht gestört.« Seinen Kopf umrahmte ein Wust von Filzlocken, die einen scheffelgroßen Spankorb gefüllt hätten.
    »Ich wollte eigentlich ganz allgemein wissen, warum ich ihnen auf Schritt und Tritt begegne«, erwiderte der alte Pilger – der jetzt allerdings Umhang und Kragen ablegte, sodass konventionelle Beinkleider, ein langschößiger Rock und eine atemberaubende Weste aus Goldstoff mit Silberknöpfen zum Vorschein kamen. Er sorgte dafür, dass die Juden sie auch sahen. »Amsterdam, Algier, Kairo, Manila – und jetzt hier.«
    Tomba zuckte die Achseln. »Sie waren zuerst da. Du kannst bei ihrem Anblick keine Überraschung vortäuschen.« Er arbeitete an einem Spleiß. Die Plattform, auf der sie alle sich befanden, steckte gewissermaßen auf dem Rumpf des Monuments, einer riesigen geriffelten Säule, die allein am Fish Street Hill stand. Ihre Höhe von einundsechzigeinhalb Metern markierte angeblich die Entfernung von der Stelle, an der 1666 das Feuer ausgebrochen war. So hieß es jedenfalls in der lateinischen Inschrift am Fuß der Säule, der zufolge vom Vatikan entsandte papistische Brandstifter die Feuersbrunst verursacht hatten. Jedenfalls wurde die Mitte der hohen Aussichtsplattform von einem Steinzylinder eingenommen, der nicht nur das obere Ende der Wendeltreppe, sondern auch den Sockel für diverse barocke Verzierungen, Knöpfe, Laternen etc. bildete, die obendrauf getürmt worden waren, um die Säule entsprechend höher zu machen. Von den beiden Filipinos, die ihre Straßenschuhe ausgezogen und ordentlich nebeneinander gestellt hatten, um wie Seeleute barfuß arbeiten zu können, waren mehrere Windungen Tau um diesen Zylinder herumgelegt worden. Dieselben Taue liefen auch durch das Auge der gewaltigen Talje auf Tombas Schoß. Auf den ersten Blick hätte eine Landratte annehmen können, der Flaschenzug sei bereits an der Spitze der Säule befestigt; aber die Filipinos waren Takler und würden nicht ruhen, bevor nicht noch einiges an Spleißung, Takelung, Einbindung und Bekleedung vollbracht war. Hatten die beiden Männer bis jetzt schon emsig gearbeitet, gerieten sie durch die Ankunft des Mannes mit der goldenen Weste völlig aus dem Häuschen, und selbst die Juden wichen vor ihnen zurück, um nicht einen Stich mit dem Marlspiker oder einen Hieb mit der Kleedkeule abzubekommen und ihre Stirnlocken unlösbar in einem Türkenbundknoten wiederzufinden.
    Der Vater von Jimmy und Danny ging den längeren Weg um den Sockel herum auf die östliche Seite der Plattform. Er holte ein Fernrohr aus der Tasche und zog es mit einem Klicken zu seiner ganzen Länge aus. Damit suchte er den Teil Londons ab, der sich über etwa eine drittel Meile vom Platz am Fuß des Monuments bis zu der ausgedehnten Hinrichtungsstätte des Tower Hill erstreckte. Fünfzig Jahre zuvor war das alles rauchende Asche mit Pfützen von verflüssigtem Dachdeckerblei gewesen. Daraus folgte, dass sämtliche Gebäude, die heute dort standen, im Stuart-Stil und außerdem aus Ziegeln erbaut waren, ausgenommen ein paar Kirchen von Christopher Wren, an denen jede Menge Stein dran war. Am nächsten gelegen war St. George’s, so nah, dass man von hier aus springen und auf ihr Dach plumpsen konnte. Für St. George’s hatte er heute jedoch, außer als Landmarke für die eigene Orientierung, keine Verwendung. Er brauchte das Fernrohr nur leicht anzuheben, da bot sich ihm schon der Anblick von St. Mary-at-Hill, ungefähr fünfhundert Fuß vom prunkenden Sockel des Monuments entfernt. Ein Bursche, der mit einem Fernrohr in der Kuppel saß, ließ sein Instrument sinken und winkte. Da es nach einer fröhlichen Geste und nicht nach einer Warnung aussah, verharrte der Blick von Jimmys und Dannys Vater nur deshalb noch dort, weil er sich vergewissern wollte, dass auf dem Dach

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