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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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dieser Kirche ein Armbrustschütze postiert war, der neben einem Kupferbottich stand und seine Aufmerksamkeit über die Straße (St. Mary Hill) hinweg auf einen östlich gelegenen Häuserblock richtete. Jenseits davon, ein paar Grad nach Steuerbord, befand sich ein Koloss von Kirche, St. Dunstan-in-the-East. Auch zu deren Dach hatten sich unbefugte Personen Zutritt verschafft. Die Kirche lag genau hundert Schritt von St. Mary-at-Hill entfernt; und von ihr aus noch einmal hundert Schritt nach Osten stand ein weiterer massiger Bau, dessen Dach ebenfalls mit Armbrustschützen und anderen merkwürdigen Gestalten bevölkert war. Das war wohl Trinity House, die Zunft oder der Club der Themselotsen. Die unteren Stockwerke waren sicher spärlich mit pensionierten Steuermännern besetzt, die sich mit Sherry betranken und sich fragten, was der ganze vermaledeite Rummel überhaupt solle. Indem er sich nun ein Stückchen nach Backbord wandte, stieß er in einer Entfernung von etwa fünfhundert Schritt auf die All Hallows Church, leicht zu erkennen am Barking-Friedhof, der sie im Norden, Osten und Süden umgab. Abgesehen von einem einsamen Wachposten im Kirchturm sah der Ort harmlos aus; das einzige Anzeichen von Leben war ein Leichenzug, der von der Tower Street her auf den Friedhof kam.
    Jenseits davon befand sich der Tower Hill, ein freies Glacis zwischen den Häusern von London und dem Festungsgraben des Tower. Er diente verschiedenen Zwecken, nämlich als öffentliche Hinrichtungsstätte, Truppenexerziergelände und als Picknickplatz. Manche gingen so weit, ihn eine Grünfläche zu nennen. Heute war er vollkommen braun, aber durch rote Streifen belebt. Die Garnison des Tower benutzte den Platz, um darauf ihre ermüdenden Exerzierübungen und Manöver abzuhalten. Das erklärte, warum er braun war; das Gras hatte es einfach nicht geschafft, auf der festgestampften Erde Fuß zu fassen. Just in diesem Moment exerzierten die Truppen, daher die roten Streifen, denn die Queen’s Own Black Torrent Guards trugen, ihrem Namen zum Trotz, rote Röcke. Sie waren in Kompanien eingeteilt, was es leicht machte, sie sogar ohne Fernrohr zu zählen. Ihre ordentlichen Gefechtslinien sahen tatsächlich haargenau wie eine Strichliste aus, die jemand mit roter Kreide auf einen Tonziegel gekratzt hatte.
    »Nach meiner Rechnung ist es ein Dutzend! Insgesamt gibt es vierzehn Kompanien; die erste befindet sich flussabwärts; zwölf sind da drüben auf dem Tower Hill; eine hält, wie es üblich ist, am Tower Wache. Wie viele von denen sind draußen am Anleger? Habt ihr schon nachgezählt? Ach, vergesst es, ihr seid ja mit der Montage einer gewissen Vorrichtung beschäftigt... wo ist mein verdammter Dudelsackspieler? Ah, jetzt sehe ich ihn in der Water Lane... Ja, ich bilde mir sogar ein, seine heidnischen Weisen zu hören. Zu dumm für den Lieutenant! Und wo ist nun mein Feuer?« Er vollführte mit dem Fernrohr einen kräftigen Schwenk nach Backbord, über das gesamte Gelände des Tower hinweg. Die nördliche Mauer und der Festungsgraben huschten vorbei, und dann der Teil des Tower Hill, der genau im Norden des ganzen Komplexes lag. Es war nur ein schmaler Streifen Land, denn hier streckte sich die Stadt London lappenförmig in Richtung Tower, wodurch sie die Grünfläche des Tower Hill nahezu halbierte. Manche der Gebäude in der Postern Row waren nur einen Steinwurf vom Festungsgraben entfernt. Sie gehörten allerdings nicht zur Stadt London, sondern zum Tower von London selbst, zu den sogenannten Tower Hamlets, die ihre eigene Miliz, ihren Friedensrichter und ihre Feuerwehr hatten. Was durchaus keine spitzfindige Beobachtung war. Eins der Gebäude in diesen Weilern stand nämlich in Flammen. Die Rauchfahne darüber ließ erkennen, dass es schon lange geschwelt hatte, aber gerade jetzt begannen orangefarbene Flammen aus seinen Fenstern zu schlagen. Die Feuerwehr war aus den Tavernen gerufen worden, wo die Männer Tag für Tag geduldig auf einen Anlass gewartet hatten, ihre Pflicht zu tun, und jetzt eilten sie alle aus den verschiedenen Hinterhöfen und Sackgassen der Weiler, aus Distiller’s Yard und Savage Gardens in die Woodruff Lane. Sie wurden jedoch an Zahl übertroffen – und in den meisten Fällen auch überholt – von Leuten, die einfach nur sehen wollten, wie ein Gebäude abbrannte. Das war das allgegenwärtige Gesindel, der Pöbel.
    »Meine Leute!«, rief der Mann voller Rührseligkeit aus. Zufrieden ließ er das Fernrohr sinken,

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