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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ausgiebig die verwesenden Überreste von Sir Isaacs jüngsten Opfern zu betrachten – mit einem zufriedenen Seufzer in seine Ruhehaltung zurücksinken und richtete genau den gleichen Blick auf Daniels Nasenspitze. »Ihr wart zugegen, als Charles der Erste enthauptet wurde?«
    »Das habe ich Euch doch gesagt, Mr. Threader. Und es verblüffte mich, um das Mindeste zu sagen, fünfundsechzig Jahre später eine Kirche zu betreten und mit Belegen dafür konfrontiert zu werden, dass diese High-Church-Leute sich noch immer nicht von dem Ereignis erholt haben. Habt Ihr eine Ahnung, Mr. Threader, wie viele Engländer im Bürgerkrieg zugrunde gegangen sind? Mit Rücksicht auf Eure Maßstäbe lasse ich Iren völlig außer Betracht.«
    »Nein, ich habe keine Ahnung …«
    »Eben! Und um einen einzigen Menschen so viel Aufhebens zu machen erscheint mir daher bizarr, götzendienerisch und verfehlt, wie bei den Hindus, die Kühe verehren.«
    »Er hat hier in der Gegend gelebt«, sagte Mr. Threader, der von Windsor sprach.
    »Ein örtlicher Bezug, der in der Homilie gar keine Erwähnung fand – weder, sage ich, in der ersten noch der zweiten noch der dritten Stunde, die sie andauerte. Stattdessen habe ich viel Gerede gehört, das sich für mich nach Politik anhörte.«
    »Für Euch. Ja. Aber für mich, Dr. Waterhouse, hörte es sich nach Kirche an. Wenn wir dagegen dorthin gingen« – und Mr. Threader deutete auf die von Kutschen umgebene Scheune, die auf einem Feld an der Nordseite der Tyburn Road lag und aus der vierstimmige Musik drang; das heißt ein Gebetshaus irgendeiner Versammlungskirche -, »so würden wir vieles hören, was sich für Euch nach Kirche und für mich nach Politik anhörte.«
    »Für mich würde es sich wie die schiere Vernunft anhören«, wandte Daniel ein, »und ich hoffe, Ihr würdet mir mit der Zeit beipflichten – was für mich, dort drin, eine Unmöglichkeit wäre -« Zufällig hatten sie gerade irgendeine wichtige neue Straße gequert, die zu Daniels Zeit noch nicht existiert hatte oder ein bloßer Viehweg gewesen war; doch gleichviel: Als er nach Norden blickte, sah er die Oxford Chapel an der Stelle, wo sie schon immer gewesen war, und konnte so mit dem Finger auf eine anglikanische Kirchturmspitze zeigen – mehr brauchte er nicht, um sein Argument zu illustrieren. »- insofern dort überhaupt keine Vernunft waltet, sondern nur gedankenloses Ritual!«
    »Natürlich verhält es sich so, dass Mysterien des Glaubens sich nicht für vernunftgemäße Erklärungen eignen.«
    »Wenn Ihr das glaubt, Sir, könntet Ihr ebenso gut Katholik sein.«
    »Und Ihr, Sir, könntet ebenso gut ein Atheist sein – es sei denn, Ihr habt, wie so viele von der Royal Society, auf dem Weg zum Atheismus beschlossen, eine Erfrischungspause an der Quelle des Arianismus einzulegen.«
    Daniel war fasziniert. »Ist allgemein bekannt – oder wird allgemein vermutet, sollte ich wohl besser sagen -, dass die Royal Society eine Brutstätte des Arianismus ist?«
    »Nur unter denen, die in der Lage sind, das Offensichtliche zu erkennen, Sir.«
    »Wer in der Lage ist, das Offensichtliche zu erkennen, könnte aus dem Gottesdienst, dem wir beide gerade ausgesetzt waren, den Schluss ziehen, dieses Land werde von Jakobiten regiert – und zwar von ganz oben .«
    »Eure Wahrnehmungsfähigkeiten beschämen die meinen, Dr. Waterhouse, wenn Ihr wisst, wie die Königin in dieser Frage denkt. Der Prätendent mag ein überzeugter Katholik und er mag in Frankreich sein, aber er ist ihr Bruder! Und wenn eine arme, alte, einsame Frau am Ende ihres Lebens angelangt ist, wäre es unmenschlich zu erwarten, dass sie sich nicht von solchen Überlegungen leiten lässt.«
    »Nicht annähernd so unmenschlich wie der Empfang, den man ihrem Bruder bereiten würde, wenn er an diese Ufer käme und sich König betitelte. Denkt an das gerade eben in der Kirche so weitschweifig zitierte Beispiel.«
    »Euer Freimut ist erfrischend. In meinen Kreisen spielt man nicht so ungescheut auf die Enthauptung von Königen durch den Pöbel an.«
    »Es freut mich, dass Ihr erfrischt seid, Mr. Threader. Ich bin lediglich hungrig.«
    »Mir erscheint Ihr eher durstig -«
    »Nach Blut?«
    »Nach königlichem Blut.«
    »Das Blut des Prätendenten ist kein königliches, denn er ist kein König und wird es niemals sein. Ich habe das Blut seines Vaters gesehen, wie es ihm in einer Schnapskaschemme in Sheerness aus den Nasenlöchern strömte, und ich habe das Blut seines Onkels

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