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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Messengers ihre geheimnisvolle Last mitten im Raum, genau zwischen Newton und Bolingbroke, absetzten. Charles White, der als Eigentümer einer Bärenhetz-Arena in Rotherhithe einiges darüber wusste, wie man die Erwartungen eines Publikums bediente, ließ fünf Sekunden verstreichen, trat dann zackig vor und riss den Umhang weg, sodass ein schwarzer Kasten mit drei Vorhängeschlössern zum Vorschein kam.
    »Wie Mylord befohlen haben«, sagte White, »bringe ich Euch direkt aus der Münze im Tower die Pyx.«
     
    »Seid doch bitte nicht so albern, das hier ist keine Münzprobe!«, rief Bolingbroke einige Zeit später aus, als sich alle ein wenig beruhigt hatten und aufhörten, einander in die Ohren zu murmeln. »Wie jedermann in dieser Kammer wissen müsste, würde eine Münzprobe die Anwesenheit des Registraturbeamten der Königin sowie des Lord Oberschatzmeisters erfordern, der es nicht für angezeigt gehalten hat, heute unter uns zu weilen. O nein, nein, nein. Vollkommen albern. Das hier ist keine Münzprobe, sondern eine oberflächliche Inspektion der Pyx.«
    »Welches, äh, Verfahren gilt bitte schön für eine solche Inspektion, Mylord? Ich habe von so etwas noch nie gehört«, sagte Ravenscar. Er fungierte als Sekundant für Newton, der noch immer kein Wort herausbrachte; jedenfalls schloss Ravenscar das aus der Tatsache, dass Newton unter seinem schütteren weißen Haar rot war und eine Gänsehaut hatte.
    »Natürlich habt Ihr noch nie davon gehört, denn es ist außergewöhnlich. Man hat es noch nie gemacht. Es war noch nie nötig. Denn bis vor kurzem war die Pyx immer in der Obhut von vertrauenswürdigen Wachen. Sie zu bewachen war eine der Aufgaben der Garnison des Towers. Mehrere Regimenter haben diese Ehre schon gehabt. In letzter Zeit hat man sie den Queen’s Own Black Torrent Guards anvertraut: einem Regiment, das sich immer wieder ausgezeichnet hat, bis Lord Marlborough völlig vom Weg abgekommen ist und das Land verlassen hat. Unter Oberst Barnes ist es heruntergekommen. Man hat ihn seines Kommandos enthoben. In diesem Regiment gibt es einen altgedienten Sergeanten, einen gewissen Robert Shaftoe. Es wird die Kammer gewiss erstaunen zu erfahren, dass Sergeant Shaftoe kein anderer ist als der Bruder oder Halbbruder eines gewissen Jack Shaftoe, der nach allgemeinem Dafürhalten mit Jack dem Falschmünzer identisch ist. Trotzdem durfte dieser Robert Shaftoe – dank einer systematischen, sich über viele Jahre erstreckenden Pflichtverletzung Marlboroughs – im Regiment bleiben, und zwar unter dem Vorwand, er habe sich von Mr. Jack Shaftoe entfremdet und ihn seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Ihm und seinesgleichen obliegt die Aufsicht über die Münze im Allgemeinen und die Pyx im Besonderen, seit der Krieg zu Ende gegangen ist und ihr Regiment nach Hause zurückgeführt wurde. Nach den Ereignissen vom 23. April wurde Oberst Barnes, wie schon gesagt, abgelöst, und vor kurzem wurde Robert Shaftoe in ein neues Quartier verlegt. Er wohnt durchaus noch im Tower, nur nicht in seiner gewohnten Unterkunft. Man hat ihm ein Logis von ganz anderer Beschaffenheit zugewiesen. Dort hat er Unterredungen mit Mr. White gehabt. Bis jetzt waren diese Unterredungen nicht sonderlich erhellend – aber ich hoffe zuversichtlich, dass sich das ändern wird, da sich Mr. White als geschickter und energischer Wahrheitssucher erwiesen hat. Seit diese Veränderungen vorgenommen wurden, ist die Pyx vor Manipulationen sicher – ebenso sicher, möchte ich behaupten, wie die Kronjuwelen. Aber man kann unmöglich wissen, was in dem Jahr, in dem sie der Verantwortungslosigkeit, wo nicht gar direkten Plünderungen, von Oberst Barnes und Sergeant Shaftoe ausgesetzt war, damit geschehen ist. Und deswegen haben wir uns heute in dieser Kammer zu einem noch nie da gewesenen Ereignis versammelt: einer Inspektion der Pyx.«
     
    »Und daher muss ich, um das Gesagte zusammenzufassen, gestehen, dass ich während des Angriffs dieser Schwarzgardisten ebenfalls abwesend war – eine Schande, über die ich niemals hinwegkommen werde«, sagte Charles White, der einer erstaunten Kammer soeben ein unwahrscheinliches Garn von einer fruchtlosen Verfolgungsjagd entlang der Themse erzählt hatte: einem Unternehmen, das aufgrund der Versicherungen von Oberst Barnes und Sir Isaac Newton, es werde in der Ergreifung von Jack dem Falschmünzer kulminieren, durchgeführt worden sei, letztlich aber damit geendet habe, dass in einem baufälligen, verlassenen

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