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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die Hände zu beiden Seiten seines Kopfes, blonde Locken aus dem schwarzen Band zupfte, das sie im Nacken zusammenhielt, und ihn so in einen Zustand von schönem déshabillement versetzte. »Es heißt, deine Mutter sei die schönste Frau von ganz Versailles gewesen.«
    »Ich dachte, diese Ehre sei dem Bruder des Königs vorbehalten.«
    »Hör auf!« Sie versetzte ihm einen ganz leichten Klaps auf die Wange. »Ich wollte sagen, dass sie dir ihr Aussehen vererbt hat.«
    »Und was willst du jetzt sagen?«
    »Ich werde dich gleich fragen, woher du deinen Witz hast, denn der ist für mich nicht so erfreulich.«
    »Ich bitte Eure Königliche Hoheit um Verzeihung. Ich habe nicht gewusst, dass Ihr dem von uns gegangenen Bruder des Königs von Frankreich solche Zuneigung entgegengebracht habt.«
    »Denk an seine Witwe , Liselotte, die noch lebt und fast jeden Tag Briefe mit der Dame gewechselt hat, die wir heute zu Grabe tragen.«
    »Die Beziehung war so lose, dass ich -«
    »An einem solchen Tag gibt es keine losen Beziehungen. Die ganze Christenheit trauert um Sophie.«
    »Ausgenommen bestimmte Salons in London.«
    »Erspare mir für diesen einen Tag deinen Witz und lass mich dein Aussehen genießen. Du musst dich rasieren!«
    »Bestimmt hat dir der Doktor alles über die Sonnenwende und die Tagundnachtgleiche beigebracht.«
    »Was hat das mit dem Rasieren zu tun? Sieh doch, wenn ich Handschuhe trüge, würden sie sich in diesen Schweineborsten verheddern und kaputtgehen!« Sie bohrte ihm einen Daumen in den Unterkiefer und schob die Haut bis zum Wangenknochen hoch. Nun sah er nicht mehr wie der Sohn der schönsten Frau von Versailles aus, und auch seine Vokale waren nicht mehr vollkommen artikuliert, als er sagte: »Ein Schäferstündchen im Garten in der ersten Morgendämmerung ist eine romantische Vorstellung, und ich muss gestehen, dass dieses pfirsichfarbene Morgenlicht dein Gesicht strahlender macht als jede Blume und saftiger als jede Frucht -«
    »So wie es deine goldene Mähne und deine stacheligen Schweineborsten erglühen lässt, mein Engel.«
    »Da wir uns jedoch bei mehr als fünfzig Grad nördlicher Breite aufhalten -«
    »Zweiundfünfzig Grad und etwas mehr als zwanzig Minuten, wie du wissen müsstet, wenn der Doktor dich so wie mich im Gebrauch des Gradstocks gedrillt hätte.«
    »Angesichts der Tatsache, dass die Sonnenwende erst wenige Tage hinter uns liegt, läuft der Begriff ›erste Morgendämmerung‹, jedenfalls in diesen Breiten, auf ungefähr zwei Uhr morgens hinaus.«
    »Pfui, so früh ist es nicht!«
    »Wie ich sehe, haben sich deine Hofdamen heute noch nicht an dir versucht -«
    »Hmph.«
    »Was mir sehr gut passt«, fügte Johann hastig hinzu, »da Puder, Schnürbänder und Schönheitsflecken nur von jemandem ablenken, der von Anfang an vollkommen ist.«
    »Heute wird man mich gleich zweimal pudern und schnüren«, beklagte sich Caroline. »Einmal wie üblich, damit ich unsere edlen und königlichen Gäste empfangen kann, und ein zweites Mal für die Beisetzung.«
    »Es ist gut, dass du einen handfesten Ehemann hast, der die Hauptlast der Zeremonien tragen kann«, überlegte Johann. »Stell dich hinter ihn, fächle dich und mach einen trauernden Eindruck.«
    »Aber ich trauere tatsächlich!«
    »Du hast getrauert und trauerst jeden Tag weniger, glaube ich«, sagte Johann. Was nicht die freundlichste Bemerkung war, die er hätte machen können. Aber er hatte genügend Zeit unter Mitgliedern von Fürstenhäusern verbracht, um ihre Gefühlswelt zu kennen. »Inzwischen hast du bereits begonnen, dich gedanklich anderen Dingen zuzuwenden. Du bereitest dich darauf vor, die Last zu schultern.«
    »Ich wünschte, du hättest mich nicht daran erinnert. Jetzt ist die Stimmung verdorben.«
    Johann von Hacklheber stand auf. Er achtete darauf, zuerst Carolines Hand zu ergreifen und sie festzuhalten. »Oh, ich fürchte, der Morgen war mir schon verdorben, ehe er überhaupt begonnen hatte. Ich habe eine ungewöhnliche Verabredung. Eine, um die ich einfach nicht herumgekommen bin, sosehr ich auch geltend machte: ›Es tut mir sehr leid, aber zu dieser Zeit werde ich damit beschäftigt sein, dem Prinzen von Wales Hörner aufzusetzen.‹«
    Sie lächelte, obschon sie sich alle Mühe gab, es nicht zu tun. »Strenggenommen ist er noch nicht der Prinz von Wales. Wir müssen zuerst nach England und uns krönen lassen.«
    »Get crowned. Versuche einmal, das auszusprechen – es hat ein W in der Mitte. Ich sehe dich in

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