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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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– nicht von der langen nächtlichen Fahrt, sondern müde der vornehmen und königlichen Damen, die sich einbildeten, er sei nicht imstande, sich um seine eigenen Pferde zu kümmern. Er ließ das Gespann vorwärtsgehen, indem er die Zügel aufnahm. Die beiden Lakaien, endlich wieder voll beweglich, sprangen zurück auf ihre Plätze, und die Hunde begannen zu winseln, da sie nicht wussten, welcher Gruppe sie folgen sollten. Eliza brachte sie mit einem funkelnden Blick zum Schweigen, und Martin rief sie mit einem Grunzen zu sich.
    »Gehen wir zum Tor, damit wir uns nicht zwischen Eisenstangen hindurch unterhalten müssen«, sagte Caroline und setzte sich in dieselbe Richtung in Bewegung, in welche die Kutsche fuhr. Eliza ging auf der mit Kies bestreuten Seite des Zauns neben ihr her. Sie waren nur eine Armeslänge voneinander entfernt, doch die Prinzessin befand sich auf einem Marsch durch den Wald, während die Herzogin auf einem gepflegten Weg spazierte. »Ihr könnt unmöglich den ganzen Weg von London gekommen sein -?«
    »Antwerpen.«
    »Aha. Wie geht es dem Herzog?«
    »Er lässt grüßen und sein Beileid übermitteln. Wie Ihr wisst, war er ein großer Bewunderer von Sophie und hätte ihrer Beisetzung sehr gern beigewohnt. Aber die jüngsten Berichte aus London sind sehr beunruhigend für ihn, und er wollte für seine Landsleute nicht gar so unerreichbar sein.«
    Sie waren am Tor angelangt. Caroline griff nach der Klinke, doch Eliza war schneller; sie öffnete es, trat entschlossen hindurch, ging ganz dicht an Caroline heran und warf der Größeren mit so etwas wie Leidenschaft, ja Hingabe die Arme um den Hals: ein großer Unterschied zu den zurückhaltenden, höflichen Begrüßungen, mit denen der Rest dieses Tages ausgefüllt sein würde. Als sie, eine ganze Weile später, losließ, waren ihre von Rouge und Puder freien Wangen tränenfeucht.
    »Als ich ungefähr sechzehn Jahre alt war, habe ich mir selbst leidgetan und war wütend auf die Welt, weil ich von meiner Mutter getrennt worden war, zuerst durch die Sklaverei, dann durch den Tod, der alle trifft. Wenn ich jetzt die Summe Eurer Verluste bedenke, schäme ich mich, dass ich diesen Gefühlen jemals freien Lauf gelassen habe.«
    Es verging ein Augenblick, in dem Caroline nichts sagte. Zum Teil lag das daran, dass diese kühne Bemerkung einer Frau, die für Witz und Diskretion berühmt war, sie berührte, ihr beinahe peinlich war. Zum Teil lag es aber auch an einem Geräusch hinter ihr. Martin hatte sein Gespann um die scharfe Kurve am spitzen Winkel des Areals manövriert, was gar nicht so leicht gewesen war, und rumpelte nun, nicht weit entfernt, auf der anderen Seite dahin.
    »Manchmal glaube ich, ich bin die Summe meiner Verluste«, sagte Caroline schließlich. »Wenn das stimmt, macht mich jeder Verlust, den ich erleide, größer. Ich hoffe, Ihr empfindet meine Rede nicht als zu finster«, fügte sie hinzu, denn die Herzogin hatte ein leiser Schauder wie von einem Schluchzen durchlaufen. »Aber so gewinne ich meiner Welt einen Sinn ab. Und wenn Ihr es wissen wollt, zuweilen bilde ich mir ein, ich wäre so etwas wie eine Erbin der Winterkönigin – obwohl ich nicht blutsverwandt mit ihr bin – und es wäre mein Los, nach England zurückzukehren und es für sie zurückzugewinnen. Deswegen habe ich Euch gebeten, Leicester House zu kaufen, denn dort ist sie geboren.«
    »Ich habe es nicht gekauft, sondern darin investiert«, erwiderte Eliza.
    »Dann hoffe ich, dass Eure Investition sich als klug erweisen wird.«
    »Warum sollte sie das nicht?«
    »Eure Kunde aus Antwerpen – und andere Nachrichten, die ich in letzter Zeit erhalten habe – wecken Zweifel in mir, ob ich Britannien jemals sehen, geschweige denn darüber herrschen werde.«
    »Das werdet Ihr, meine Liebe. Was Marlborough beschäftigt, ist nicht das Schicksal des Reiches, sondern eines einzelnen Regiments, das ihm am Herzen liegt und das unlängst unter jakobitischen Einfluss geraten ist. Er ist in Sorge um bestimmte Offiziere und Sergeanten und versucht herauszubekommen, was aus ihnen geworden ist.«
    »Was einem Regiment widerfahren ist, könnte später dem ganzen Reich widerfahren«, sagte Caroline. Dann wandte sie, abgelenkt von einem wilden Bellen auf der anderen Seite des gordischen Knotens, den der Teufelsbaum darstellte, den Blick ab. Martin schalt die Hunde auf Deutsch. Wahrscheinlich hatten sie einem der unzähligen Eichhörnchen des Gartens nachgesetzt.
    Als sie sich wieder Eliza

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