Principia
sauber, der an diesem Tag schon oft benutzt worden war.
»Ich benutze das Wort Kraft in einem neuen Sinne«, erklärte Daniel, als das Durcheinanderquirlen und Drängeln der Menge ihn und Eliza wieder zusammengebracht hatte. Inzwischen hatten sie etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt, der vom Hauptportal von Schloss Herrenhausen mitten durch den Berggarten (wie dieser Park hieß) zu einem überaus gedrungenen und wuchtigen dorischen Tempel führte, der, von schönen alten Bäumen bewacht und beschattet, mittendrin stand.
Daniel fuhr fort: »Ich benutze es in mechanischem Sinne – sodass es eine Art allgemeine Fähigkeit bezeichnet, auf messbare Weise Veränderungen herbeizuführen. Wasser aus Bergwerken zu pumpen ist eine Möglichkeit, Kraft aufzuwenden, doch wenn man einen Vorrat an derartiger Kraft hätte, könnte man sie auch anderen Verwendungszwecken zuführen.«
»Zum Beispiel, um Hanf zu klopfen?«
»Oder um die Teile einer Logikmühle zu bewegen. Oder zu anderen Verwendungszwecken, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Sobald diese Idee oder Vorstellung von Kraft sich einmal in Eurem Verstand festgesetzt hat, Madame, wird es Euch schwerfallen, sie wieder abzuschütteln. Überall, wohin Ihr schaut, werdet Ihr Gelegenheiten erkennen, Kraft einzusetzen, und Ihr werdet so viele Unternehmen sehen, die an einem Mangel an Kraft leiden, dass Ihr Euch fragen werdet, wie wir bisher ohne sie ausgekommen sind.«
»An dem, was Ihr sagt, ist viel Bedenkenswertes, Doktor, doch hier und jetzt ist wenig Zeit, es zu bedenken. Ich möchte jetzt gern mit meiner Trauer um Sophie allein sein.«
»Das möchte ich auch, Madame, und ich danke Euch.«
»Wenn wir nach London zurückgekehrt sind, würde ich gern diesen Hof in Clerkenwell sehen und mehr von Euren Plänen für die Frauen von Bridewell hören.«
Sie hatten den steinernen Tempel erreicht und scharten sich um ihn. Das Gebäude war fensterlos. Zwei Türen an der Vorderseite boten Zugang zu Krypten im Innern; doch das waren Ruhestätten für verstorbene Verwandte und Totgeborene. Die Türen wurde an diesem Tag nicht benutzt. Im vorderen Portikus waren zwei gewaltige Platten in den Boden eingelassen, in welche die Namen Johann Friedrich – derjenige, der Leibniz nach Hannover geholt hatte – und Ernst August – Sophies verstorbener Mann – eingemeißelt waren. Vor kurzem hatte man ein frisches rechteckiges Loch von gleicher Größe aus dem Boden ausgeschnitten und in der Erde darunter ein Grab ausgehoben. Daneben lag eine Platte bereit, die Sophies Namen trug.
Danach nahm die Feierlichkeit den von Beerdigungen gewohnten Verlauf. Alle trauerten, einige aufrichtiger als andere und niemand so sehr wie Caroline. Doch nachdem die Familienmitglieder ihre Handvoll Erde in das Grab geworfen und fast ebenso traurige Arbeiter es zugeschaufelt hatten, sah man, wie sich Caroline den Schmutz von den Händen klopfte und irgendetwas Geistreiches von sich gab, das mehrere Umstehende in schockiertes und schockierendes Gelächter ausbrechen ließ. Der Trauerzug kehrte in langsam sich hebender Stimmung zum Schloss zurück. Niemand war ausgelassener als Prinzessin Caroline. Doch nur Henrietta und einige andere wussten, dass sie etwas hatte, worauf sie sich freuen konnte.
Der Sonnenwendtag hatte seine achtzehnte Stunde erreicht. Um Ihre Britannische Majestät bei der Beisetzung vertreten zu können, hatte die englische Delegation das geplante Rückreisedatum weit überschritten, dabei ihre Finanzen erschöpft und die von vornherein sehr geringe Gastfreundschaft, die man ihr entgegenbrachte, bei weitem überstrapaziert. Mit einer Schnelligkeit, die auffiel und an Unhöflichkeit grenzte, verließ man in einer auf der Weststraße dahinratternden Kolonne von Kutschen und Gepäckkarren die Stadt, in der Hoffnung, noch bei Tageslicht das Gasthaus in Stadthagen zu erreichen.
Einen aus ihrer Schar hatten sie zurückgelassen, einen hinfälligen alten Mann, der Gerüchten zufolge in seinen besten Jahren ein leidlich kluger Bursche gewesen sein sollte, inzwischen aber hoffnungslos gebrechlich war und eine solche Reise wahrscheinlich erst gar nicht hätte antreten sollen. Die lange Fahrt nach Hannover hatte ihn geschwächt, und er war nicht in dem Zustand für einen Gewaltmarsch zurück zur holländischen Küste. Irgendein gutherziger Angehöriger des hannoveranischen Hofes hatte eingegriffen und sich erboten, eine langsame, bequeme Rückreise für diesen Mann, einen gewissen Dr.
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