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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sein schien als im Rest des Gartens. Nachdem er das Tor passiert hatte, vollführte er eine Kehrtwendung, schob den Kopf über den Zaun und schaute in beide Richtungen den Weg entlang, um sich zu vergewissern, dass kein Abendspaziergänger gesehen hatte, wie er den Ort betrat, an den die Prinzessin sich in Kürze zu zwei Stunden stiller und einsamer Besinnung zurückziehen würde.
    Nachdem er festgestellt hatte, dass niemand da war, zog er sich zurück und schloss das Tor behutsam, damit es kein Scheppern von sich gab. Und dann stand er da, in Habachtstellung, in der Haltung eines Musketiers mit gefälltem Gewehr, nur dass er ein Bukett statt einer Waffe im Arm hielt. Gleich darauf dröhnte ein einziges, großes Zugpferd um die Ecke, eingespannt zwischen zwei langen, kräftigen Stangen, die zu einer kleinen Kutsche führten. Der Kutscher bedachte das Pferd mit einer knappen Folge von Lauten. Das Pferd wurde langsamer, passierte das Tor, blieb stehen und ging dann (denn es war ein Stück zu weit gegangen, und der Kutscher machte ihm deswegen Vorhaltungen) rückwärts, bis sich der Schlag der Kutsche auf einer Höhe mit dem Tor befand. Besänftigt, zog der Kutscher nun die Bremse an, womit er vielleicht übertriebene Besonnenheit an den Tag legte. Johann trat vor und öffnete das schmiedeeiserne Tor. Dann griff er nach oben, um den Schlag der Kutsche aufzuklinken.
    Als er ihn aufschwang, kamen zwei Mastiffs zum Vorschein.
    Ihre vorquellenden Augen rollten. Ihre Nüstern bebten, und über jedem stand breitbeinig ein kräftiger Mann, der mit beiden Händen die Schnauze des Tiers umschloss, damit es nicht bellte. Johann ging aus dem Weg. Die Hunde wurden losgelassen.
    Sowohl Scylla als auch Charybdis schienen erst zwanzig Fuß hinter dem Tor den Boden zu berühren. Sie preschten in den Teufelsbaum hinein und brachen sich darin Bahn wie Geschützlafetten, die sich selbstständig gemacht hatten. Erst nachdem sie verschwunden waren, fiel es ihnen gleichsam nachträglich ein zu bellen. Sie waren keine zum Lautgeben ausgebildeten Jäger. Sie waren Arbeiter.
    Auf dem Weg, der an der Rückseite des Areals entlanglief, kanterten Hufe – dann gingen sie in vollen Galopp über. Johann blickte gerade rechtzeitig zu der Wegkreuzung, um den Reiter, der ein Entermesser zog, darüber hinwegflitzen zu sehen. Es war einer seiner Leipziger Cousins. Von der Rückseite des Teufelsbaums hörte man ein Durcheinander von wütendem Gebell und Schmerzensjaulen. Die beiden Hundeführer – Elizas Lakaien – stürzten aus der Kutsche und rannten den Hunden nach. Johann ließ sein Bukett fallen, das seinen Zweck erfüllt hatte, und folgte ihnen. Er dachte daran, sein Rapier zu ziehen, aber er würde sich damit nur in den unergründlichen Windungen der Äste verfangen. Also zog er stattdessen seinen Dolch und nahm ihn in die rechte Hand.
    Er hätte sich nicht die Mühe machen müssen. Als er auf den rückwärtigen Zaun stieß, war die Sache bereits vorüber. Einer der Hunde – Johann konnte sie bei diesem Licht nicht auseinanderhalten – widmete sich hinten in der Ecke einem langen dunklen Gewand, das auf den Boden gefallen war. Auf die entfernte Möglichkeit hin, dass es sich bei dem Kleidungsstück um einen Feind handelte, bekämpfte er es. Und ausgehend von der Annahme, dass es sich um ein Wirbeltier handelte, schleuderte er es mit einer peitschenden Bewegung hin und her, um ihm das Genick zu brechen.
    Der andere Hund wurde von einem der Lakaien besänftigt und umsorgt – das Tier hatte einen diagonalen Schnitt in die Schnauze davongetragen, der kräftig blutete, obwohl es sich nicht um eine sonderlich schwere Verletzung handelte.
    Der zweite Lakai kniete neben einem Mann in einem dunklen Gewand, der, alle viere von sich gestreckt, in der Nähe des Zauns auf dem Boden lag. Bei diesem Lakaien handelte es sich wohl um einen Studenten der Anatomie, denn er trieb mit beiden Händen methodisch einen Dolch mit einer einen Fuß langen Klinge in verschiedene, sorgfältig ausgewählte Stellen im Rücken des Liegenden.
    Der verletzte Hund – der sich nur widerstrebend gesetzt hatte – stand auf. Doch seine Beine zuckten, und er konnte nicht stehen bleiben. Er fiel auf die Seite und würgte krampfhaft.
    Johann ging zu dem Toten hinüber – denn inzwischen musste man ihn als tot bezeichnen, selbst wenn sein Herz noch schlug – und hob mit äußerster Vorsicht einen kleinen Dolch auf, der neben seiner rechten Hand auf dem Boden lag. Er hielt ihn in

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