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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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über die niedrigen Gebäude Londons herrschte wie ein Khan über eine Million Sklaven. Es war bei weitem das größte Gebäude, das Daniel je gesehen hatte, und irgendetwas daran erfüllte ihn mit neuer Energie.
    »Nichts an der englischen Landschaft steht für alle Zeiten fest. So wie Ihr Euch wahrscheinlich an das Vorhandensein dieser Kuppel gewöhnt habt«, sagte Daniel und wies mit dem Kopf die Fleet Street entlang auf St. Paul’s, wodurch er Mr. Threader nötigte, sich umzudrehen und die Kathedrale wiederzuentdecken, »würden wir uns vielleicht an Scharen schwarzer Sklaven oder Dampfmaschinen oder beides gewöhnen. Ich vermute, dass der Charakter Englands beständiger ist. Und ich schmeichle uns, indem ich ferner behaupte, dass Findigkeit ein wesentlicheres Element dieses Charakters ist als Grausamkeit. Als Produkt der erstgenannten Tugend sind Dampfmaschinen leichter mit der englischen Szenerie zu versöhnen als die Sklaverei, die ein Produkt des letztgenannten Lasters ist.Wenn ich also Geld zu verwetten hätte, würde ich es auf Dampfmaschinen setzen.«
    »Aber Sklaven arbeiten und Dampfmaschinen nicht!«
    »Aber Sklaven können aufhören zu arbeiten. Dampfmaschinen dagegen können, sobald Mr. Newcomen sie in Gang gesetzt hat, niemals aufhören, weil sie, anders als Sklaven, keinen freien Willen haben.«
    »Aber wie soll ein gewöhnlicher Investor Euren Grad von Vertrauen aufbringen, Dr. Waterhouse?«
    »Indem er sich das da ansieht«, sagte Daniel und wies mit dem Kopf auf die St. Paul’s Cathedral, »und zur Kenntnis nimmt, dass es nicht einstürzt. Geht und untersucht die Bögen dort, Mr. Threader, und Ihr werdet feststellen, dass sie parabelförmig sind. Sir Christopher Wren hat sie auf Anraten von Mr. Hooke so gestaltet; denn Hooke hat gezeigt, dass es so sein muss.«
    »Ihr seid ein ganzes Stück weit vom Thema abgekommen. Es ist eine großartige Kirche. Ich sehe keinen Zusammenhang mit Dampfmaschinen.«
    »Sowohl Kirchenkuppeln als auch Maschinen unterliegen Naturgesetzen, die ihrerseits mathematischen Berechnungen zugänglich sind; und wir kennen die Gesetze«, verkündete Daniel. »Das Ganze ist mindestens so fundiert wie das, womit Ihr Euren Lebensunterhalt verdient.«
    Sie waren vor dem Mauseloch in der Nordseite der Fleet Street zum Stehen gekommen, das in den Crane Court führte. Der Kutscher manövrierte sein Gespann hinein, nachdem er den anderen Kutschern zuvor Anweisung erteilt hatte, dass allein der Gepäckwagen ihm folgen solle; der Rest der Kolonne, der zu diesem Zeitpunkt aus zwei großen Kutschen und einem zweiten Gepäckwagen bestand, sollte in der Fleet Street bleiben und wenden, sodass er mit der Nase in Richtung Ludgate zeigte.
    Die Pferde, ihr Zaumzeug und die Kutsche durch den Bogengang zu lotsen glich ein wenig der Aufgabe, ein Schiffsmodell mit liegendem Mast- und Takelwerk durch einen Flaschenhals zu bugsieren. An einer Stelle kamen sie zum Stehen, und Daniel sah sich bei einem Blick aus dem Seitenfenster auf Küss-Entfernung einem Fußgänger gegenüber – bäurisch, mit Pockennarben behaftet, vielleicht dreißig Jahre alt -, der von der Gesamtheit von Mr. Threaders Manövern daran gehindert wurde, seinen Gang durch die Fleet Street fortzusetzen. Dieser Bursche, der eine räudige Pferdehaarperücke zur Schau trug und eine qualmende Laterne in der einen und einen Stab in der anderen Hand hielt, lugte mit einer unverstellten Neugier zu ihnen herein, die Mr. Threader unziemlich fand.
    »Nur immer weiter, mein Freund, wir gehen die Wache nichts an!«
    Die Kutsche bewegte sich vorwärts in die schmale Sackgasse des Crane Court.
    »Einer der neuen Nachbarn der Royal Society?«, fragte Daniel.
    »Der Wächter? Nein, das glaube ich nicht.«
    »Alle Bewohner sollen abwechselnd Wache halten«, sagte Daniel pedantisch, »deshalb habe ich angenommen...«
    »Das war vor zwanzig Jahren so, als das Gesetz erlassen wurde«, gab Mr. Threader, über Daniels Naivität bekümmert, zurück. »Inzwischen hat es sich bei den Haushaltsvorständen eingebürgert, ein bisschen Geld zusammenzulegen und irgendeinen Menschen – normalerweise irgendeinen Schurken aus Southwark – zu bezahlen, damit er die Arbeit an ihrer Stelle macht. Wie Ihr ihm heute Abend begegnet seid, so werdet Ihr ihm jeden Abend begegnen, es sei denn, Ihr habt das Glück vorbeizukommen, während er im Pub sitzt.«
    Immer noch bewegten sie sich vorsichtig den Crane Court entlang. Sobald sie sich durch den Eingang gezwängt

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