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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Zwanzigjähriger rappelte er sich auf und begann sich den Hof entlang in Richtung Fleet Street vorzuarbeiten. In Bodennähe war die Luft klarer, und er ging schließlich tief gekrümmt, und dass er vorwärtskam, merkte er nur daran, dass seine Füße sich über verstreute Münzen und allerlei Trümmer bewegten. Außerdem durchschwebte auch eine Art Schnee den Rauch: Waschbärhaare.
    »Wächter!«, rief Daniel, »kannst du mich hören?«
    »Ja, Sir! Man hat schon nach der Streifwache geschickt!«
    »Die Streifwache ist mir gleich, sie kommt zu spät! Ich will, dass du dieser Sänfte folgst und mir sagst, wohin sie geht.«
    Es kam keine Antwort. Nur ein paar Ellen entfernt drang Mr. Threaders Stimme aus dem Rauch. »Wächter, folge dieser Sänfte, dann bekommst du eine Guinee!«
    »Jawohl, Sir!«, gab der Wächter zurück.
    »…oder, nach meinem Gutdünken, den Gegenwert einer Guinee in Sachgütern oder Dienstleistungen, vorausgesetzt, dass ich, und nur ich, zeitige und nützliche Informationen erhalte, die auf andere Weise nicht zu erlangen wären; und merk dir, dass dieses Angebot keinerlei Arbeitsverhältnis zwischen uns begründet, insbesondere nicht, was straf- oder zivilrechtliche Verantwortlichkeiten angeht. Habt Ihr das alles gehört, Dr. Waterhouse?«
    »Ja, Mr. Threader.«
    »So ist es denn bezeugt an diesem einunddreißigsten Januar im Jahre unseres Herrn 1714«, murmelte Mr. Threader sehr rasch.
    Mit dem nächsten Atemzug begann er endlich auf die Zurufe seiner Gehilfen zu antworten, die von der Fleet Street herbeigerannt waren und nun blindlings und kaum weniger gefährlich als die in Panik versetzten Pferde überall durch den Rauch trampelten. Nachdem sie Mr. Threader und Daniel fast über den Haufen gerannt und auf diese Weise gefunden hatten, fragten sie wiederholt und wortreich, ob ihnen etwas fehle, was Daniel bald ärgerlich fand, da er den Verdacht hatte, dass sie es nur taten, um sich in den Vordergrund zu spielen. Er sagte ihnen, sie sollten sich stattdessen auf die Suche nach dem Kutscher des Gepäckwagens machen, der durch die Luft geflogen war, als Daniel ihn aus den Augen verloren hatte.
    Der Rauch begann sich schließlich zu lichten; er schien nicht so sehr vom Hof aufzusteigen als daraus abzuziehen. Mr. Threader näherte sich. »Hat Euch irgendetwas getroffen, Dr. Waterhouse?«
    »Nicht sehr heftig.« Zum ersten Mal fiel es ihm ein, sich abzuklopfen. Holzsplitter und Waschbärfellbüschel rieselten aus den Falten seiner Kleidung. Sein Finger berührte den Rand einer Münze, den die Gewaltsamkeit ihres jüngsten Schicksals wie ein Sägeblatt aufgeraut hatte, und sie fiel zu Boden, wo sie mit einem blechernen Geräusch auftraf. Daniel bückte sich, um sie in Augenschein zu nehmen. Es war gar keine Münze. Es war ein Miniatur-Zahnrad. Er hob es auf. Überall um ihn herum waren Mr. Threaders Gehilfen in ähnlicher Haltung damit beschäftigt, wie eine Schar Ährenleser Guineen von den Pflastersteinen aufzusammeln. Der Kutscher des Gepäckkarrens lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und stöhnte wie ein Betrunkener, während sich Henry Arlanc und eine Frau, möglicherweise seine Ehefrau, um ihn kümmerten. Irgendwer hatte die Geistesgegenwart besessen, den anderen Gepäckkarren quer vor die Einfahrt des Crane Court zu ziehen, damit die Streifwache – wenn und falls sie eintraf – nicht einfach hereinmarschierte und nach übersehenen Münzen Ausschau hielt.
    »Auf die Gefahr hin, wie einer dieser Langweiler zu erscheinen, die erst dann Fakten konstatieren, wenn sie für jedermann vollkommen offensichtlich geworden sind«, sagte Mr. Threader, »würde ich vermuten, dass man soeben meinen Gepäckkarren in die Luft gesprengt hat.«
    Daniel drehte das Zahnrädchen mehrmals in der Hand, dann steckte er es ein. »Ohne Zweifel besteht Eure Hypothese die Prüfung, die wir Ockhams Rasiermesser nennen.«
    Mr.Threader war sonderbar vergnügt. Auch Daniel, der den ganzen Tag vom Fasten in verdrießlicher Stimmung gewesen war, fühlte sich wie leicht beschwipst. Er sah Henry Arlanc näher kommen, der sich, das Gesicht geschwärzt, Blutspuren von den Händen wischte. »Mr. Arlanc, wenn Euch nichts fehlt, wärt Ihr dann so freundlich, einen Besen zu holen und meine Sachen ins Haus zu fegen?«
    Das rief schallendes Gelächter bei Mr. Threader hervor. »Dr. Waterhouse! Wenn ich ganz offen sein darf, so hatte ich mir Sorgen gemacht, dass Euer Waschbärfell Euch dem Spott der Londoner Modebewussten

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