Principia
in diesem Bett verkrochen hatte, war ein anderer als der, der angekleidet und mit Perücke auf dem Kopf an der Tür stand. Aber die beiden konnten ohne weiteres wieder den Platz tauschen, wenn er zu lange bei den dunklen Überresten in jenem Korb verweilte. Während sie seiner Aufmerksamkeit harrten, waren sie kalt geworden. Sollten sie ruhig noch kälter werden.
Der Sitz der Royal Society umfasste zwei separate Häuser mit einem winzigen Hof dazwischen. In der Phase der Mittelbeschaffung war jemand so weit gegangen, das Ganze als »Gebäudekomplex« zu bezeichnen. Eines der Häuser bildete den nördlichen Abschluss des Crane Court. Über dem Erdgeschoss besaß es zusätzlich noch zwei Etagen und eine Mansarde. Diese Mansarde, in der man Daniel untergebracht hatte, verfügte über zwei kleine Giebelfenster, die auf den Crane Court hinausgingen und einen ungehinderten Blick bis zur Fleet Street und sogar bis zur Themse gewährt hätten, wären sie nicht teilweise von einer niedrigen Brüstung verstellt worden, die man der Vorderseite des Hauses angefügt hatte, um es ein paar Fuß höher erscheinen zu lassen, als es tatsächlich war. So hatte Daniel von seinem Bett aus in eine Art mit Blei ausgekleideten Graben geschaut, wo das steil abfallende Dach sich bis an den Fuß der Brüstung herabstürzte: wenn es regnete, ein Vogelbad, und bei jedem Wetter eine Rennbahn für Nagetiere. Falls zufällig klares Wetter herrschte, querte am Nachmittag die Sonne wenige Stunden lang das Himmelsviereck, das sich über der Brüstung zeigte. Wenn Daniel aufstand, konnte er über die Kante der Brüstung hinweg, wo sich Moos, Ruß und Vogelscheiße um die Vorherrschaft stritten, in den Crane Court hinabsehen und das Gewirr der Dächer um ihn herum überschauen. Der Blick auf die Kuppel von St. Paul’s blieb ihm verwehrt, sofern er nicht das Fenster öffnete, den Kopf hinausstreckte und nach links drehte. Dann war sie verblüffend nahe. Dennoch wirkte sie wegen des breiten Spalts der Fleet Street, welche die Stadt auf halbem Wege dorthin teilte, unzugänglich. Wenn sich Daniel um hundertachtzig Grad drehte und nach Westen schaute, sah er sich einer Kirche gegenüber, die viel näher und unendlich viel älter war: die Rolls Chapel, die auf der anderen Seite der Fetter Lane in einen geräumigen Kirchhof einzusinken oder einzubrechen schien. Dieser mittelalterliche Klotz, den das Amt des Lordkanzlers seit vielen Jahrhunderten als Aktenlager verwendete, hatte sich zu Daniels Lebzeiten vom Kohlenrauch schwarz verfärbt. Eine Bogenschussweite südlich davon lag, mit der Vorderseite zur Fleet Street, die Church of St. Dunstan-in-the-West, ein Produkt von Wren, das ebenfalls wie erwartet schwarz wurde.
Für einen alten Mann mit steifem Hals war es viel weniger anstrengend, einfach den Crane Court entlang nach Süden zu schauen und zu hoffen, dass man zwischen den Gebäuden, die den Raum zwischen Fleet Street und Fluss fast vollständig ausfüllten, ein bisschen offenes Wasser zu sehen bekam. Bei diesem Blick wurde Daniel jedes Mal, wenn er ihn erhaschte, so zumute, als wäre er aufgrund irgendeines Navigationsfehlers in eine fremde Stadt wie Manila oder Isfahan befördert worden. Denn das London seiner Kindheit und Jugend war ein Konglomerat von Herrensitzen, Parks und Häusergevierten gewesen, im Laufe der Jahrhunderte von Baumeistern errichtet, die einen gemeinsamen Traum davon hatten, wie ein Stück englische Landschaft auszusehen hatte: eine großzügige Fläche offenen Geländes mit einem Haus mittendrin. Zur Not auch ein Haus mit einer Mauer um den Rand eines nicht ganz so großzügigen Grundstücks. Jedenfalls hatte Daniels London Blicke auf Himmel und Wasser gewährt, und überall verstreut hatte es – nicht kraft königlichen Dekrets, sondern dank einer Art stummem, unterschwelligem Konsens – kleine Parks und Gehöfte gegeben. Besonders an dem Abschnitt des Flussufers, den Daniel von seiner Dachkammer aus sehen konnte, hatte sich eine Kette von Anwesen, Herrenhäusern, Palästen, Höfen, Tempeln und Kirchen hingezogen, erbaut von den mächtigen Rittern oder Mönchen, die jeweils als Erste da gewesen und sie am längsten verteidigt hatten. Zu Daniels Lebzeiten waren sie mit Ausnahme des Temple (genau gegenüber der Mündung des Crane Court) und Somerset House (weit rechts von ihm in Richtung der Stelle, wo der Whitehall Palace gestanden hatte, ehe er niedergebrannt war) allesamt zerstört worden. Manche hatten dem großen Feuer
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