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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Leute sie der Royal Society geschenkt hatten. Sie waren hier aufbewahrt worden, wie ein junges Paar das hässliche Hochzeitsgeschenk der reichen Tante aufbewahrt.
    Er hörte, wie jemand ein Niesen unterdrückte. Vorsichtig, damit nicht einer der saftigen Teile seiner Wirbelsäule platzte, richtete er sich auf, blickte die Treppe hinunter und gewahrte Henry Arlanc. Henry wirkte nervös und bemüht trauervoll, wie ein Vikar bei einer Totenfeier, der den Verblichenen zwar nicht gekannt hat, aber weiß, dass die Hinterbliebenen einen schweren Verlust erlitten haben und wahrscheinlich übler Laune sind. »Ich habe mich bemüht, Dr. Waterhouse, alles, was man hierhergebracht hat, so aufzubewahren, wie man es hierhergebracht hat.«
    »Kein Advokat hätte es vorsichtiger formulieren können«, murmelte Daniel leise.
    »Wie belieben, Sir?«
    Daniel trat bis an den oberen Treppenabsatz und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, denn was da hinunterführte, war ein Mittelding zwischen Leiter und Treppe, das ihn schwindeln machte.
    »Ihr habt recht gehandelt … Ihr seid freigesprochen«, sagte Daniel. »Die Eule war staubfrei.«
    »Danke, Dr. Waterhouse.«
    Daniel setzte sich auf den Treppenabsatz und stellte die Füße auf die zweitoberste Stufe. Zwischen seinen Knien hindurch genoss er nun einen deutlichen, direkten Blick auf Henrys Gesicht. Hier oben auf dem Dachboden war es düster, doch die Wände und Türen des Stockwerks darunter waren allesamt weiß oder nahezu weiß gestrichen. Man hatte die Türen offen gelassen, um das durch die Fenster einfallende Licht zu nutzen, und so war Henry in eine erbarmungslose, alles enthüllende Helligkeit getaucht, wie ein Objekt unter einem Miskroskop. Er betrachtete Daniel unbehaglich.
    »Wie lange dient Ihr schon hier, Henry?«
    »Seit Ihr eingezogen seid, Sir.«
    Daniel war leicht verwirrt, bis ihm aufging, dass mit Ihr die Royal Society gemeint war.
    »Ich sage gern, dass ich zum Inventar gehöre«, fuhr Henry fort.
    »Als wir vom Gresham’s College hierhergezogen sind, muss eine Menge … Müll angefallen sein. Im Gresham’s, meine ich.«
    Henry wirkte unaussprechlich erleichtert. »O ja, Sir, mehr, als Ihr Euch je vorstellen könntet.«
    »Ganze Wagenladungen also, nicht wahr?«
    »Ja, Sir, Dutzende von Wagenladungen sind fortgeschafft worden«, bestätigte Henry voller Stolz auf eine gut erledigte Arbeit.
    »Wohin genau fortgeschafft?«
    Henry zögerte. »Ich – das weiß ich nicht, Dr. Waterhouse, es gibt Lumpensammler, die Müll nach wertvollen Gegenständen durchstöbern und sie an Kesselflicker verkaufen …«
    »Ich verstehe, Henry. Und ich pflichte Euch darin bei, dass weder Ihr noch sonst wer wissen kann, wohin Müll gelangt, nachdem der Abfallwagen dem Blick entschwunden ist. Aber ich habe eine andere, in die gleiche Richtung zielende Frage, auf die Ihr Euch so scharf wie möglich konzentrieren müsst.«
    »Ich werde mir Mühe geben, Dr. Waterhouse.«
    »Als das Gresham’s ausgeräumt, der Müll weggeschafft und die Kostbarkeiten wohlbehalten hierhergebracht wurden – sind, sage ich, zu dieser Zeit auch von anderen Örtlichkeiten Abfälle weg- oder Kostbarkeiten herbeigeschafft worden?«
    »Andere Örtlichkeiten, Dr. Waterhouse?«
    »Hooke. Mr. Robert Hooke. Vielleicht hat er Dinge in Bedlam gebunkert, oder in den Anbauten des Hauses des Marquis von Ravenscar oder im Ärztekolleg -«
    »Warum ausgerechnet an diesen Orten, Sir?«
    »Weil er sie gebaut hat. Oder St. Paul’s oder das Monument für den großen Brand – an deren Bau war er auch beteiligt. Vielleicht hat er Dinge in diesen Bauwerken zurückgelassen, und so, wie die Nüsse, die ein Eichhörnchen an entlegenen Orten versteckt, oft vergessen und später von anderen entdeckt werden -«
    »Ich kann mich nicht entsinnen, dass etwas von Bedlam oder irgendeinem anderen Ort außer Gresham’s College gekommen wäre«, sagte Henry kategorisch.
    Er war merkwürdig rot im Gesicht. Er war so einfältig gewesen, in die Falle zu tappen, die ihm Daniel mit seinem Gerede von Müll gestellt hatte. Aber er war scharfsinnig genug, es im Nachhinein zu erkennen. Seine Reaktion bestand darin, dass er eher wütend als ängstlich wurde. Daniel spürte sofort, dass es nicht wünschenswert war, diesen Mann gegen sich aufzubringen. In sanfterem Ton erklärte er: »Es geht nur darum, dass die Royal Society unter den wissenschaftlichen Akademien der Welt so herausragt, dass das, was uns als Müll gilt, bei manchen, die an

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