Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
als Brennstoff gedient, einige waren den kaum weniger zerstörerischen Energien von Immobilienmaklern zum Opfer gefallen. Mit anderen Worten, abgesehen von dem großen, offenen Grün des Temple schien mittlerweile jeder Zoll dieses Geländes von Straße oder Gebäude bedeckt zu sein.
    Sich umzudrehen und die Tür seiner Schlafkammer zu öffnen versetzte ihn geradewegs nach London zurück – nicht das London der gewöhnlichen Londoner, sondern das circa 1660 stehengebliebene, naturphilosophische London von John Wilkins und Robert Hooke. Denn der Rest des Dachbodens war bis unter die Sparren mit Material gefüllt, das Daniel erkannte und unter der allgemeinen Überschrift wissenschaftliches Gerümpel verbuchte. Von der Wiege der Royal Society im Gresham’s College hatte man alles hierhergeschafft.
    Gresham’s College war genau die Art von Bauwerk gewesen, die im modernen London keinen Platz hatte: eher ein Häusergeviert als ein Haus, errichtet um einen Hof, der so geräumig war, dass er Hunderte von Londonern hätte beherbergen können, wenn man ihn geschleift und Stadthäuser hineingequetscht hätte. Das Gresham’s war mit Lehm beworfenes Flechtwerk im Tudorstil gewesen, ein Stil, der die Baumeister ermutigte, ihn während des Bauens zu erfinden, und sie im Allgemeinen auch damit durchkommen ließ. Wie auch immer das Ganze vor Sir Thomas Greshams geistigem Auge ausgesehen haben mochte, nachdem er, als Retter des Münzsystems der Gloriana berühmt und durch Spekulation darin reich geworden, aus Antwerpen zurückgekommen war – bei Daniels Ankunft dort hatte es gewirkt, als wäre es nicht von menschlichen Architekten, sondern von Wespen errichtet worden.
    Jedenfalls war es riesig gewesen: zehnmal so groß wie die beiden Häuser im Crane Court zusammengenommen. Sie hatten nicht alles davon für sich gehabt, aber viel.
    Außerdem hatten sie Hooke und Wren gehabt, die London aus Asche wiederaufgebaut hatten. Wenn es irgendwo in London einen Keller, ein Gelass, einen Dachboden oder Schuppen gab, der leer stand, so wusste Wren davon, und Hooke besaß die Frechheit, ihn für irgendetwas zu benutzen.
    Mit anderen Worten, bis etwa zur Jahrhundertwende war die Royal Society imstande gewesen, Gegenstände in unbegrenzten Mengen zu lagern. Es hatte keine Notwendigkeit bestanden auszusortieren, wegzuwerfen oder gar zu ordnen. Doch während der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts hatten sie das Gresham’s verloren, und sie hatten Hooke verloren. Ihr Lagerraum war mindestens um den Faktor 10 geschrumpft. Das hätte ein Glücksfall sein können, wenn das Aussortieren und Wegwerfen jemand übernommen hätte, der dazu qualifiziert, also von Anfang an dabei gewesen wäre und Zeit gehabt hätte, es ordentlich zu machen. Schlicht gesagt, Newton, Wren oder Waterhouse. Aber Sir Isaac war mit der Münze beschäftigt gewesen, damit, Krieg gegen Flamsteed zu führen und die zweite Ausgabe der Principia leibnizfest zu machen. Sir Christopher Wren hatte zur gleichen Zeit gerade St. Paul’s vollendet und, gleich neben dem St. James’s Palace, das Stadthaus des Herzogs von Marlborough gebaut: für einen Architekten zwei bedeutende Aufträge. Daniel war in Massachusetts gewesen und hatte versucht, eine Logikmühle zu bauen.
    Wer also hatte das Aussortieren besorgt? Einer von Newtons Gehilfen. Und wahrscheinlich hatte er es in aller Eile getan.Wäre sich Daniel dessen vor vier Jahren, als es passiert war, völlig bewusst gewesen, wäre er in Panik geraten. Nun konnte er den Inhalt dieses Dachbodens nur in der gleichen Stimmung betrachten, in der er am Morgen nach dem Brand die Überreste von Drakes Haus betrachtet hatte.
    Der größte Teil des wissenschaftlichen Gerümpels war noch in den gleichen Kisten, Fässern, Bündeln und Ballen verpackt, in denen es hierhergeschafft worden war. Jedes dieser Behältnisse war ein Hindernis für denjenigen, der beiläufig Nachforschungen anstellte. Daniel erspähte nicht weit unter den Dachsparren eine Kiste, deren Deckel leicht schief saß. Das Einzige, was daraufstand, war eine Glasglocke mit einer vertrockneten Eule darunter. Daniel stellte den Vogel zur Seite, zog die Kiste hervor und nahm den Deckel ab. Es war die liebevoll in Stroh verpackte Käfersammlung des alten Erzbischofs von York.
    Das und die Eule sagten alles. Es war so, wie er befürchtet hatte. Vögel und Insekten von oben bis unten und von vorn bis hinten. Alle gerettet, nicht weil sie an sich einen Wert besaßen, sondern weil wichtige

Weitere Kostenlose Bücher