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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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angenehme Aussicht auf einen von Bäumen gesäumten Fahrweg durch Surrey gewährte. Allerdings war sie ihnen nur ungefähr eine Viertelstunde lang vergönnt, ehe sie wieder im Nebel verschwand. Leibniz erwachte, wie dann auch Newton, aus vorgetäuschtem oder tatsächlichem Schlaf. »Geht Ihr denn davon aus, dass wir auf dem Weg zur letzten Zusammenkunft des Clubs sind?«, fragte Daniel, inzwischen verzweifelt bemüht, sie zu einem Gespräch über irgendetwas zu bewegen.
    »Falls deine Frage in Wirklichkeit lautet: ›Sind wir im Begriff, Jack zu fassen?‹, würde ich sagen, nein«, antwortete Isaac. »Das scheint mir nicht der richtige Ort für ihn zu sein. Es sieht aus wie das Landhaus irgendeines Lords.«
    »Das scheint Euch zu beunruhigen«, sagte Leibniz, »aber war nicht von Anfang an klar, dass Jack mit hochrangigen Personen gemeinsame Sache machen muss?«
    »Natürlich«, erwiderte Isaac, »aber ich hatte nicht erwartet, geradewegs durch das Tor irgendeines herzoglichen Landhauses zu fahren! Wo sind wir?«
    »Keine Sorge«, sagte Daniel, der in Fahrtrichtung saß und nach vorne schauen konnte. »Wir werden gerade von einem von Rogers Pseudo-Mohawks begrüßt. Er weist den Kutscher an, nach links abzubiegen.«
    »Und was befindet sich zur Linken?«
    »Eine kleinere Straße – nicht so eindrucksvoll von Bäumen gesäumt wie diese. Vielleicht führt sie uns zu einem bescheideneren Gehöft etwas weiter unten.«
    Doch gleich nachdem sie in diese Straße eingebogen waren, fuhren sie durch ein steinernes Tor: offensichtlich nicht der Haupteingang, sondern ein Seitentor irgendeines stattlichen Landguts. Während sie die zerfurchte Straße entlangrollten, kam es Daniel so vor, als führen sie hinter den Fußtruppen der Whig-Vereinigung her, deren Mitglieder alle auf diesem Abschnitt der Strecke ihre Blase entleert hatten. Doch dann begriff er. Und ein einziges Mal in seinem Leben begriff er etwas schneller als Newton oder Leibniz. Die vergangenen paar Fahrminuten – die Straßen, die Biegungen und der Geruch – stimmten mit der vorletzten Etappe von Mr. Kikins Reise überein. Sie waren da – beinahe. »Kutscher!«, rief Daniel, »sagt mal, seht Ihr weiter vorne eine Stelle, wo man nach rechts abbiegen und ein kurzes Stück auf einer alten Wagenspur bergauf fahren könnte, die hier und da mit flachen Steinen gepflastert ist?«
    »Nein, Meister«, sagte der Kutscher. Aber dann kamen sie um eine Biegung, und er sah genau das, was Daniel beschrieben hatte. Ebenso wie Newton und Leibniz, die zu diesem Zeitpunkt die Köpfe aus den Fenstern gesteckt hatten. »Fahrt dort hinauf!«, hoben sie alle an zu schreien, denn jeder von ihnen hatte das aus Mr. Kikins Erzählung wiedererkannt. Der Kutscher tat, wie ihm geheißen. Jetzt ging es eine Anhöhe hinauf.
    Auf deren Spitze lag eine Ansammlung alter, normannisch anmutender landwirtschaftlicher Gebäude in völlig verwahrlostem Zustand. Ein Hund bellte. Hinter ihnen klapperten Hufe; das war ihr Aufpasser von der Kavallerie. »Dreht um! Ihr fahrt in die falsche Richtung!«, rief er.
    »Wir fahren in die richtige Richtung!«, beharrten Newton, Leibniz und Waterhouse im Chor, was sie alle zum Lachen und den Hund zur Raserei brachte.
    »Wer da?«, schallte es von ganz weit unten, und irgendetwas im Tonfall vermittelte Daniel den Eindruck, dass es sich dabei nicht um einen Bewohner von hier handelte, der sich einem Eindringling entgegenstellte, sondern um einen Mit-Eindringling, der versuchte herauszubekommen, was hier vor sich ging. Was ziemlich überraschend und (einen Augenblick später) ein ganz klein wenig beunruhigend war. Bisher war er davon ausgegangen, dass befreundete Einheiten den Boden, über den sie fuhren, bereits nach einem schlüssigen Plan überquert und Anspruch darauf erhoben hatten. Nun konnte er jedoch die geradezu aberwitzig großen Bemühungen mehrerer Einheiten und Individuen vernehmen, die sich sämtlich in Hörweite voneinander und alle auf derselben Seite befanden und deren Ziel einfach darin bestand, zu erkunden, wer die anderen Kerle waren, worauf sie zusteuerten etc. Also befanden er, Newton und Leibniz sich, soweit er sehen konnte, vor dem Rest der Truppe. Und als eine Art krönende Zierde dieses Gebäudes aus erschreckenden Erkenntnissen, dessen Errichtung mit dem Ruf »Wer da?« in Gang gesetzt worden war, begriff er schließlich, dass alle militärischen Operationen so verliefen, dass nichts davon hier irgendjemanden außer Daniel überraschte und

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