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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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in einem offenen Kamin, der eine Wand des Raums zu einem großen Teil einnahm, gewissermaßen ins Tor ging. Der Kaminboden lag etwas tiefer als der Fußboden, sodass der Globus dort zwischen zwei Feuerböcken liegen blieb. »Dieser Globus ist für einen modernen Monarchen völlig unzureichend«, erklärte sie. »Wenn der Prince of Wales und ich in dieses Haus einziehen, muss er durch einen neuen ersetzt werden, mit mehr Geographie und weniger Monstern und Meerjungfrauen. Einen, der dafür ausgelegt ist, Längengrade aufzunehmen, wenn dieser Roger Comstock jemanden findet, dem er seinen Preis verleihen kann.« Sie erhob sich, und Newton und Leibniz, die sich endlich ihrer guten Manieren besannen, drehten sich um und folgten ihr, als sie auf den Kamin zuging. Zunächst riss sie jedoch mit einem Ruck eine brennende Wachskerze aus einem Kandelaber neben dem Sessel. »Ich habe grundsätzlich etwas dagegen, Dinge, die man in Bibliotheken gefunden hat, zu verbrennen, aber das hier braucht keineswegs als Verlust zu gelten, verglichen mit dem Schaden, den ihr beide mit eurem Gezänk der Philosophie zufügt.« Sie beugte die Knie und ließ sich auf anmutige Weise nieder, bis sie, die Röcke um sich herum drapiert, auf dem Fußboden neben der Feuerstelle saß. »Manchmal sehe ich Dinge in Träumen oder Tagträumen – und manche davon gefallen mir, denn sie scheinen eine Bedeutung zu haben. An diese erinnere ich mich und denke weiter über sie nach. Es gibt eine solche Vision, die mir im Gedächtnis haften geblieben ist, genau wie Melodien es oft tun, und ich werde sie wohl nicht mehr los. Ich werde versuchen, ihr auf diese Weise gerecht zu werden.« Und sie streckte die Hand mit der Kerze aus und ließ ihre Flamme an der Unterseite des Globus lecken. Der Globus bestand aus Holz und war zu schwer, um rasch Feuer zu fangen, aber er war mit keilförmigen Papierstreifen bekleistert, auf denen Kontinente abgebildet waren. Das Papier fing Feuer, und ein gezackter Flammenring begann sich auszubreiten, vernichtete das Werk des Kartographen und hinterließ eine geschwärzte, gesichtslose Kugel. »Sophie hat mir, bevor sie starb, immer wieder zu vermitteln versucht, dass ein neues Weltsystem im Entstehen begriffen ist. Oh, besonders neu ist diese Aussage nicht. Ich weiß, und Sophie wusste es auch, dass der dritte Band Eurer Principia Mathematica diesen Titel trägt, Sir Isaac. Seit sie tot ist, bin ich vollkommen davon überzeugt, dass sie recht hatte – und außerdem, dass das System nicht in Versailles, sondern hier entstehen soll – dass hier sein Nullmeridian sein und alles andere von hier aus berechnet und festgelegt werden wird. Es ist eine schöne Vorstellung, dass es ein solches System geben wird und dass ich, als seine Hebamme, einen bescheidenen Beitrag dazu leisten könnte. Ich stelle mir den Globus mit seinen übersichtlich angeordneten Parallelen und Meridianen als Wahrzeichen dieses Systems vor – was das Kreuz für das Christentum ist. Mich beunruhigt aber die Vision eines solchen Globus in Flammen. Was ihr hier seht, ist nur eine schlechte Wiedergabe davon; in meinen nächtlichen Albträumen ist er um so vieles großartiger und schrecklicher.«
    »Was bedeutet diese Vision Eurer Meinung nach, Hoheit?«, fragte Daniel Waterhouse.
    »Dass dieses System, wenn es falsch aufgebaut wird, von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist«, sagte Caroline. »Oh, am Anfang wird es wunderbar anzuschauen sein, und alle werden seine Regelmäßigkeit, seine Ökonomie und den Einfallsreichtum derjenigen, die es aufgestellt haben, bestaunen. Vielleicht wird es ein Jahrzehnt lang wie geplant funktionieren, oder ein Jahrhundert oder länger. Und dennoch, wenn es am Anfang falsch gemacht worden ist, wird es am Ende brennen, und meine Vision wird auf eine Weise Wirklichkeit werden, die unendlich viel zerstörerischer ist als das hier.« Sie gab dem rauchenden Globus einen Schubs. Er war durch die Flammen völlig leergewaschen und zu einer Kugel ohne Spuren geworden.
    Daniel trat jetzt zu ihr und half ihr hoch. »Mich bekümmern«, sagte Caroline und wandte sich dabei an Leibniz und Newton, »nicht so sehr die Bankiers, Kaufleute, Uhrmacher oder Längengradfinder und deren Aufgaben bei der Schaffung dieses Systems. Ja nicht einmal Astronomen und Alchimisten. Was mir aber schreckliche Sorgen bereitet, sind meine Philosophen, denn wenn sie Fehler machen, dann nimmt das ganze System Schaden und wird am Ende brennen. Hört also auf mit dem

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