Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
es gar nicht tut. Ich tue es auf Bitten einer anderen – einer Freundin besagter Dame.«
    »Dann halte ich nicht viel von der Freundschaft dieser Person«, sagte Jack, »denn eine wahre Freundin würde nicht versuchen zu kitten, was schon so lange zerbrochen ist. Irgendeine Freundin, ha!«
    »Nichtsdestoweniger«, sagte Daniel, »bin ich von ebendieser Freundin gebeten worden, Nachforschungen anzustellen. Die Freundin ist jung, und sie hat schwärmerische Vorstellungen von der Macht wahrer Liebe und so weiter und so weiter.«
    »Ja, wie es in Theaterstücken dargestellt wird«, sagte Jack. »Und damit meine ich nicht die miserablen, possenhaften Stücke der Restauration, sondern die älteren, wie ich sie als Kind noch gesehen habe.«
    »Die einer einfacheren Zeit.«
    »Genau. So ist es. Obwohl ich beileibe nicht so töricht bin, an solche sentimentalen Phantastereien zu glauben, Sir, weiß ich, dass junge Damen, die sich vielleicht allzu sehr für das Theater und die Italienische Oper interessieren, eine Zeitlang deren Einfluss erliegen können, bis Alter und Erfahrung sie wieder zur Vernunft bringen. So kann ich dieser jungen Dame, die Euch geschickt hat, zugestehen, dass sie vielleicht nur närrisch und gar nicht böswillig ist.«
    »Sie wird außerordentlich erfreut sein«, sagte Daniel, »zu wissen, dass der König der Landstreicher so denkt.«
    »Ihr braucht mir hier keinen Stich zu versetzen, Doktor. Die Unterhaltung ist so schon aufreibend genug, auch ohne Eure Seitenhiebe. Ich werde Euch jetzt etwas von großer Tragweite sagen, was Ihr diesem vorwitzigen Fräulein weitergeben müsst, und das ist Folgendes: Die besagte Frau hat vor langer Zeit zu mir gesagt, ich werde sie bis zu dem Tag, an dem ich sterbe, weder wiedersehen noch ihre Stimme hören. Und sie ist keine von denen, die ihr Wort brechen.«
    »Gut, daraus folgt also, dass Ihr sie, wenn Ihr dem Tod entgeht und ein Schiff nach Amerika besteigt, nicht mehr zu sehen und ebenso wenig zu hören bekommen werdet«, sagte Daniel.
    »Das wäre in der Tat ein sehr trauriges Schicksal«, sagte Jack, »aber es ist das Schicksal, zu dem ich zwölf Jahre lang verdammt war; und ein paar weitere Jahre davon würden mich nicht umbringen, eine Hinrichtung unweit von London dagegen schon.«

Fleet - Gefängnis
    NACHMITTAG DES 5. OKTOBER 1714
    Es war normal, von einem Gefängnis anzunehmen, dass es wie das Inferno von Dante immer schlimmer würde, je weiter man vom Tor aus in seine konzentrisch angelegten Zellen vorstieß. Daniel war seit seiner frühesten Kindheit um das Fleet herumgegangen – eine weitgehend autonome Stadt von ungefähr tausend Seelen. Das eigentliche Gefängnisgebäude (1666 abgebrannt, 1670 wieder aufgebaut) war vom Gemeinschaftsraum der Armen-Seite am südlichen Ende bis zur Kapelle im Norden etwas weniger als zweihundert Fuß lang, vierzig Fuß breit und vierzig hoch (genug für fünf Stockwerke mit niedrigen Wohnungen, wenn man den zur Hälfte unterirdischen Keller dazuzählte). Aber dieses Gebäude, so groß es auch war, konnte man ebenso wenig mit dem Gefängnis als Ganzem verwechseln wie etwa den White Tower mit dem gesamten Komplex des Tower von London. Das Fleet-Gefängnis, wie Daniel es schon immer kannte, war eine quadratische Stadt mit einer Seitenlänge von ungefähr fünfhundert Fuß – auf dem Papier also rund sechs Morgen. Aus der Nähe betrachtet war es jedoch wie eine dieser sich windenden Scheußlichkeiten, die Hooke unter seinem Mikroskop zu betrachten pflegte, das heißt, es kam einem tausendmal größer vor, weil es so komplex und brodelnd war. Seine äußere Begrenzung verlief nach allgemeiner Auffassung auf der westlichen Seite unmittelbar am Ufer des Fleet Ditch entlang. Im Norden schloss sie die ganze Fleet Lane mit ein, allerdings nicht die Gebäude auf der nördlichen Straßenseite; so konnte ein Häftling die Straße hinuntergehen und eine Hand über die Häuserfronten gleiten lassen, aber wenn er oder sie durch eine Tür getreten wäre, hätte das als Fluchtversuch gegolten und eine ganze Reihe finanzieller Folgen für den Direktor nach sich gezogen. Ähnlich verhielt es sich in den Straßen namens Great Old Bailey (die mit der östlichen Begrenzung zusammenfiel) und Ludgate Hill (im Süden), wobei es bei Letzterer komplizierter war, weil das Gefängnis an drei kleinen Höfen entlang, die von der südlichen Straßenseite von Ludgate Hill abgingen, gleichsam drei schmale Ranken ausgesandt hatte. Daher die quadratischen,

Weitere Kostenlose Bücher