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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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noch, ihn zu verhindern, und stieß danach eine Art Entschuldigung hervor. Er war im Verkehr hinter Daniel und Saturn gegangen, und als sie vor der Tür ihr Tempo verringert hatten, hatte er gedacht, er könnte sie überholen. Das Unangenehme kam daher, dass er ein Metzgerjunge war, der vermutlich in einem der vielen Schlachthäuser draußen in den rules entlang der Fleet Lane angestellt war, weshalb seine Kleider von Blut und anderen Körperflüssigkeiten toter Tiere durchtränkt und mit Kot, Gehirn, Federn und Haaren besudelt waren. Manches davon landete auf Daniel. Der Junge war entsetzt, vor allem, als ihm durch den Kopf schoss, Saturn könnte Vergeltung üben, aber Daniel lächelte gütig und sagte: »Nach dir, junger Mann«, und streckte eine Hand aus. Der Junge drückte sich durch die Tür, wobei er sie erneut beschmierte – denn sie sah aus, als wären ihm schon viele seiner Kollegen vorausgegangen -, und hielt sie Daniel höflich auf. Daniel und Saturn begaben sich hinein und kamen an einer Hure (tertiäre Syphilis) und ihrem Freier (primäre) vorbei, die darauf warteten, hinausgehen zu können, setzten ihren Weg unter dem scharfen Blick eines Gefängniswärters fort und stießen am Ende des Tunnelgewölbes auf einen Streifen offenes Gelände, der auf einer Seite quer zu ihrem Weg lag. Sie hatten das Gefängnisgebäude unmittelbar vor sich, eine gewaltige Barriere, die sich mehr als hundert Fuß nach links wie nach rechts ausdehnte und hoch aufragte. Mit einem halben Dutzend Schritten hätten sie ein paar Stufen erklimmen und geradewegs hineingehen können. Aber Daniel zögerte und blieb wieder stehen. Seine Aufmerksamkeit galt einem seltsamen Triptychon von Figuren, die genau in dem Tor standen und die gar nicht daran dachten, Daniel oder irgendjemandem Platz zu machen. Einer war ein schmuddeliger, heruntergekommen wirkender Bursche, der sich unablässig nach links und rechts drehte, als steckte er auf einem senkrecht stehenden Bratspieß. Daneben stand ein etwas besser gekleideter Mann, der ihm zuschaute und sich dabei auf einen überall mit Farbe beschmierten Stab stützte. Ein paar Schritte abseits von ihnen stand ein finsterer schwerer Mann, der den ersten auf eine Weise anstarrte, die unter normalen Umständen eine Schlägerei provoziert hätte. Das Starren hörte gar nicht auf, und Daniel begriff allmählich, dass es eine Art Ritual war. Ihm fiel auf, dass der Gefängniswärter, der am Tor stand, ebenfalls starrte, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, die Gesichter hinausgehender Besucher zu mustern; und so löste sich für ihn das Rätsel just in dem Moment, als Saturn – der seinerseits Daniel bei dem Versuch beobachtet hatte, das Ganze zu verstehen – die Erklärung dazu lieferte: »Neuer Insasse. Diese Wärter haben eine Eigenschaft mit Diebesfängern gemein: Wenn sie ein Gesicht einmal genau studiert haben, vergessen sie es nie mehr.«
    Nun verspürte Daniel eine starke Abneigung dagegen, von Männern mit solchen Talenten eingehend gemustert oder auch nur flüchtig angesehen zu werden, und so ging er weiter und blieb an einer Stelle stehen, die etwas näher am Gefängnis und abseits von dem unheimlichen, prüfenden Blick der Wärter lag. Wieder schlug er auf das Pflaster und schaute sich nach rechts und links um. Sie befanden sich an einer Art Engpass; hier war das Gefängnisgelände am schmalsten, während es sich rechts von ihnen (im Süden) und noch stärker im Norden verbreiterte. Das lag daran, dass der nördliche Teil vom außerhalb gelegenen Ditch nicht, wie hier, durch eine mächtige Reihe von Gebäuden getrennt war, sondern lediglich durch eine fünfundzwanzig Fuß hohe, steinerne Umfassungsmauer, die oben mit drehbaren Spitzen versehen war. Um das Ganze etwas schmucker zu machen, hatte man sie unten mit einer Landschaft bemalt. Daniel erhaschte jedoch nur flüchtige Blicke auf ein paar senkrechte Details, denn davor herrschte ein Gedränge von Leuten, die rauchten, spazieren gingen und sich unterhielten. Der Tag war eher frisch, aber die Mauern und das Gefängnisgebäude hielten jeden Wind ab, und so machten die Gefangenen und Besucher eben das Beste daraus. Was Daniel zu einer Erkenntnis verhalf. Wenn er draußen arme Schuldner gesehen hatte, war ihm das immer wie eine Tautologie vorgekommen. Doch nun, da er drinnen war, konnte er Schuldner sehen, die wohlhabend waren, und ihm wurde klar, dass die Napf-Klapperer draußen sich arm nannten, um sich von diesen hier zu

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