Principia
zu freien Londonern wie ein getrockneter, gesalzener Kabeljau, der an einem Gestell hing, zu einem lebendigen Fisch im Meer: Es waren weitgehend dieselben Teile vorhanden und mit etwas Blinzeln, Kopfschräglegen und einem großzügigen Schuss Phantasie konnte man sich ausmalen, was sie einst gewesen waren. Gelegentlich kamen Familie und Freunde vorbei und brachten Kleider, Essen, Kerzen und etwas zum Waschen, sodass die meisten von ihnen sich wenigstens bis zu einem gewissen Grad ihr Aussehen aus der Zeit, ehe man sie in Ketten gelegt hatte, bewahren konnten.
Der Besucher sah aus wie einer von diesen. Die Flicken, die seine Kleider zusammenhielten, hätten oben in der Newgate Street vielleicht als Stigmata der Armut gegolten, aber für die Leute hier unten im Schwarzen Hund waren sie eher Abzeichen oder Verzierungen, die bewiesen, dass draußen immer noch jemand wusste, wie er hieß. Seine schäbige und schmuddelige schwarze Perücke hätte ihm Gespött eingebracht, hätte er sie am Charing Cross getragen, im Schwarzen Hund dagegen lieferte sie den Beweis, dass – nun, dass er immer noch eine Perücke besaß. Weitere Bemerkungen dieser Art hätte man über seine Schuhe, seine Strümpfe und den Dreispitz machen können, den er tief ins Gesicht gezogen hatte. Selbst sein hartnäckiger, kratzender Husten war ganz typisch für Newgate-Häftlinge, ebenso wie seine leise, murmelnde Sprechweise. Alles in allem hätte jemand, der mit Newgate vertraut war, ihn, ohne auch nur einen Moment zu zögern, für einen Schuldgefangenen gehalten, der schon lange auf der Master-Side einsaß. Bei näherem Hinsehen hätte er jedoch zwei kuriose Dinge an dem Mann bemerkt: Erstens hatte er keine Eisen um die Knöchel. Er konnte jederzeit gehen. Zweitens war sein Gesprächspartner, der Bursche mit den Fußketten, ein sauberer und gut angezogener Häftling aus Kelterhof und Kastell, der sich nur für eine Stippvisite hier im Schwarzen Hund aufhielt. Eine ganze Reihe Keulen schwingender Wärter und Büttel waren hereingekommen, um diesen Insassen im Auge zu behalten, während er Zeit mit seinem Besucher verbrachte. Doch schon bald war klar geworden, dass dieser hustende, kurzatmige, geflickte, schäbige, verwahrloste alte Knacker letztlich nicht als Teil irgendeines Plans hier sein konnte, Jack Shaftoe aus dem Gefängnis zu befreien. Oder wenn er es wäre, könnte er durch einen schlichten Stoß mit dem Ellbogen unschädlich gemacht werden. Deshalb hatten die Wärter sich entspannt und sich, nachdem sie Häftlinge von Bänken und Tischen fortgescheucht hatten, selbst niedergelassen, bei dem Schankwirt, der gleichzeitig Gefängnisinsasse war, etwas zu trinken bestellt und ihre Zeit totgeschlagen, dabei aber ständig quer durch den Raum ein Auge auf Jack geworfen.
»Danke, dass Ihr gekommen seid«, sagte Jack zu seinem Besucher. »Ich wäre ja kurz zu Euch rübergekommen, aber die meiste Zeit bin ich an ein verdammtes großes Fenstergitter angekettet.«
Der Besucher zuckte und hustete.
»Dachte, Ihr wüsstet vielleicht gern«, fuhr Jack fort, »dass ich von anderen Seiten Angebote erhalten habe, die recht verlockend sind. Bei weitem reizvoller als alles, was ich von Euch gehört habe.«
Der Besucher brabbelte wutentbrannt etwas vor sich hin, und als ihm die Worte ausgingen, machte er mit der flachen Hand schneidende Gesten.
»Oh, was das betrifft, mache ich mir keine Illusionen«, versicherte Jack ihm. »Alles ist anders geworden, seit wir uns hier am achtundzwanzigsten Juli getroffen haben. Es gibt hinreichend Beweise – wie die Leute mir nicht oft genug erzählen können -, um mich und die Jungs nach Tyburn zu schicken. Deshalb habe ich nicht die Absicht, Euch um das zu bitten, worüber wir damals gesprochen haben: die Farm in Carolina. Das ist ein Hirngespinst. Aber Herrgott noch mal! Ein Mann von Eurer Intelligenz muss doch wissen, dass das jedenfalls kein verlockendes Angebot ist! Eine gnädige Hinrichtung, das heißt ein langer Fall, ein kurzer Ruck und ein anständiges Begräbnis für mich und die Jungs. Ihr könnt nicht ernsthaft von mir erwarten, Euch im Tausch für solche Kinkerlitzchen behilflich zu sein. Zum Teufel, wenn ich schnell sterben will, kann ich das ganz für mich in meiner eigenen Wohnung tun!«
Der Besucher sprach jetzt eine Weile, wurde aber am Ende durch einen Hustenanfall unterbrochen, der ihm ein solches Unbehagen zu bereiten schien, dass er sich auf seinem Stuhl krümmte und wand.
»Rippenprellung«,
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