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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Rückwand seiner Wohnung angrenzte. Ein paar Tage zuvor hatte er mit einer Holzkiste voller Gewichte auf der Brust nackt auf einem Steinfußboden gelegen; jetzt ruhte er, in ein leinenes Nachtgewand gehüllt, auf Gänsedaunen.
    Einen oder zwei Monate zuvor hätte Jack sich den Weg in diese Wohnung mühelos erkaufen können. Seitdem waren jedoch fast seine ganzen Aktiva aufgebraucht worden. Und was nicht aufgebraucht war, war von seinem ruhelosen Verfolger, Sir Isaac Newton, beschlagnahmt oder anderweitig seinem Zugriff entzogen worden.
    Für die Wohnungen in Kelterhof und Kastell gab es keine feste Miete. Der Kerkermeister verfuhr vielmehr nach einem gestaffelten Tarif, je nach Stand der verhafteten Person. Von einem Herzog – sagen wir, einem aufständischen schottischen Lord – erwartete man, dass er bei Aufnahme ins Gefängnis, nur um der Common-Side und der Master-Side zu entgehen, eine Prämie von fünfhundert Guineen zahlte. Hatte er diese Hürde erst einmal überwunden, musste er dem Kerkermeister für das Privileg, in einem solchen Raum bleiben zu dürfen, jede Woche ungefähr eine Mark oder dreizehn Shilling und etwas Kleingeld zahlen.
    Nun würde Jack in einer Woche tot sein, sodass die Miete nicht viel ausmachen würde – nicht einmal ein Pfund. Mit der Prämie verhielt es sich jedoch anders. Von einem wohlhabenden Bürger, der sich durch nichts anderes hervortat, wurde viel weniger verlangt als von einem Herzog – vielleicht zwanzig Pfund. Was wäre dann wohl der Satz für Jack Shaftoe? Manche würden sagen, er sei weniger als ein Bürger und sollte deshalb weniger als zwanzig Pfund Sterling bezahlen. Andere dagegen – unter ihnen vermutlich der Kerkermeister – würden darauf bestehen, dass er auf seine Weise größer als ein Herzog war und deshalb eine Riesensumme zahlen sollte.
    Alles in allem musste sein Sprung aus dem Verurteiltenloch mehrere hundert Pfund gekostet haben. So viel Geld hatte er nicht, nicht mehr. Und seine überlebenden Freunde auch nicht. Woher war es gekommen?
    Das gehörte nicht zu der Vereinbarung, die er in der vergangenen Nacht mit Sir Ike im Verurteiltenloch getroffen hatte. Newton hatte von Jack verlangt, eine eidesstattliche Erklärung zu diktieren, in der er versicherte, dass in einem unterirdischen Gewölbekeller unter einem der Bauprojekte des verstorbenen Roger Comstock in Clerkenwell Beweise für einen Falschmünzerring der Whigs zu finden seien. Diese Erklärung hatte Newton, wie es Jack schien, die ganze Nacht lang mühsam mit ihm einstudiert, und Jack hatte sie am nächsten Morgen vor einem Stenographen und einer Reihe entgeisterter Ehrenmänner heruntergerattert. Newton hatte aber nicht angeboten, Jack wieder in seine Wohnung im Kastell zu bringen, und Jack hatte nicht darum gebeten, weil er spürte, dass Newton das Geld ausging. Die Gegenleistung bestand vielmehr darin, dass Jacks Strafe verringert werden könnte: allerwenigstens auf herkömmliches (und schnelles) Erhängen, vielleicht sogar auf eine Strafe, die er nie hätte bezahlen können, nämlich dass er den Rest seines Lebens auf der Master-Side von Newgate verbringen würde.
    Nein, jemand anders – jemand mit viel Geld – musste dafür gesorgt haben, dass Jack hierher verlegt wurde. Es war ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Glauben, von dem de Gex gefaselt hatte: Jack besaß nichts, aber irgendwie wurde er umsorgt und behütet. Es verletzte seinen Stolz, das schon, aber nicht so wie manches andere, das ihm einfiel.
    Es war unwahrscheinlich, dass seine Wohltäterin (Jack schwelgte nämlich gerne in der Vorstellung, dass es eine Frau war) das nur getan hatte, um es Jack in dieser seiner letzten Woche auf Erden behaglicher zu machen. Er ging lieber davon aus, dass er auf diesem Weg eine Botschaft bekommen sollte. Und der Entschlüsselung dieser Botschaft galt sein ganzes Sinnen und Trachten; allerdings machte er schon bald keine Fortschritte mehr bei der Lösung dieses Rätsels und verschob die weitere Arbeit daran bis zum Auftauchen neuer Hinweise.
    Stattdessen war er entweder damit beschäftigt, an Eliza zu denken, oder damit, sich wegen dieser törichten Gedanken zu verfluchen. Andererseits musste er zugeben, dass das nicht weiter schaden konnte. Vom rechten Weg abbringen, so wie in den zurückliegenden Jahren, konnte es ihn nicht mehr. Er war jetzt so weit vom rechten Weg entfernt, wie man es auf dieser Welt nur sein konnte. Er befand sich an einem Pol. Van Hoek hatte ihm einmal erklärt, dass,

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