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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wenn man zum Südpol fuhr, Osten, Westen und Süden aufhörten zu existieren und jede Richtung, in die man von dort gehen würde, Norden wäre. Genau so war Jacks augenblickliche Lage in der Welt.

Clerkenwell Court
    MORGEN DES 23. OKTOBER 1714
    Roger hätte irgendwie schon im Voraus von dieser Durchsuchung erfahren. Roger hätte ihnen die Stirn geboten – nein, ganz falsch, er hätte mit Kaffee und heißen knusprigen Wecken aufgewartet und sie Isaac Newton, dem Earl of Lostwithiel und den King’s Messengers angeboten, worauf die ganze Angelegenheit, als sie in den Hof eindrangen, in eine Führung nur für geladene Gäste umgemünzt worden wäre.
    Aber Daniel war nicht Roger, und so war die Durchsuchung, als er ankam, bereits seit zwei Stunden im Gange. Besser organisiert, wäre sie sogar schon vorbei gewesen. Da aber mehr als nur eine Regierungsstelle Seiner Majestät sich daran interessiert gezeigt hatte, war sie schwerfällig geworden und einerseits zu gut, andererseits aber auch zu schlecht geplant gewesen. Es hatte Zusammenkünfte gegeben, so viel war offensichtlich. Aufgeweckte junge Kerle hatten daran teilgenommen, an den Tagesordnungen gefeilt und ihre Meinungen geäußert, die in den Protokollen festgehalten worden waren. Jemand hatte die Notwendigkeit vorausgesehen, die Türen des Gewölbes mit voller Kraft zu entfernen. Torbrecher, Haspeln, Ochsengespanne hatten Eingang in die Liste der notwendigen Dinge gefunden. Verzögerungen und Missverständnisse hatten sich gehäuft. Niemand war genau zur vereinbarten Zeit aufgetaucht. Bedeutende Männer hatten die Gelegenheit verpasst, die komische Seite davon zu sehen. Sturheit und Empörung waren an der Tagesordnung. Die Fußsoldaten standen sich in Erwartung von Befehlen die Beine in den Bauch und schüttelten ungläubig die Köpfe.
    Das war in etwa die Situation, in die Daniel um ungefähr neun Uhr hineinging. Ging deshalb, weil die Durchsuchung und ihre unerwarteten Konsequenzen den Verkehr auf der Coppice Row zum Erliegen gebracht und Daniel gezwungen hatten, seine Sänfte eine Viertelmeile vor seinem Ziel zu verlassen. Das war nur gut so. Die Sänfte hätte ihn mitten in den Tumult hineingeworfen; man hätte ihn bemerkt, und Männer, die an diesen Zusammenkünften teilgenommen hatten, wären begierig darauf gewesen, einige Worte mit ihm zu wechseln. Unter den gegebenen Umständen näherte er sich dem Ganzen allmählich und ruhig.
    Mit einer Ausnahme: Auf halbem Weg dorthin kam er an der Kutsche der Herzogin von Arcachon-Qwghlm vorbei, die im Verkehr feststeckte.
    »Kleine Stippvisite bei Eurer Investition, Mylady?«, fragte er wie im Selbstgespräch, als er auf der Höhe des eingekeilten Gefährtes war.
    Von drinnen hörte er ein Rascheln; er mutmaßte, dass sie ihre Korrespondenz erledigte.
    »Guten Morgen, Dr. Waterhouse. Kann ich Euch in ein paar Minuten dort aufsuchen?«
    »Ich lade Euch ein, die leere Wohnung im ersten Stock über dem Uhrengeschäft aufzusperren und Euch hineinzubegeben«, rief Daniel über die Schulter zurück. »Stellt Euch vor, sie wäre eine Loge, aus der Ihr Euch die Komödie der Irrtümer anschauen könnt.«
    Eine Minute später war er dort. Er betrat den Hof durch ein Seitentörchen und befand sich mittendrin, ehe jemand ihn erkannt hatte; dann wollten sie alle wissen, wie lange er schon da war. »Dr. Waterhouse!«, rief der Earl of Lostwithiel aus, »wie lange seid Ihr schon hier?«
    »Lange genug«, antwortete Daniel, um einen orakelhaften Ton bemüht.
    »Es ist schon schade«, sagte der Earl. Was Daniel höchst irritierend fand, bis ihm wieder zu Bewusstsein kam, dass der Earl ein Mann mit guten Manieren war und dazu neigte, Dinge so weit abzuschwächen, dass sie schon fast unterschwellig waren. Er wollte Daniel zu verstehen geben, dass es ihm sehr leidtat. Daniel versuchte, auf derselben Ebene zu reagieren. »Es muss scheußlich für Euch gewesen sein.«
    »Keineswegs«, erwiderte der Earl und meinte eigentlich, es war die reinste Hölle .
    »Das Ganze ist kompliziert geworden, nicht wahr«, fuhr Daniel fort. »Eure Pflichten als Hauptmann der King’s Messengers setzen natürlich alle anderen Überlegungen außer Kraft. Ich sehe, Ihr habt sie bestens erfüllt.«
    »Gott schütze den König«, sagte der Earl, was, wie Daniel vermutete, so viel heißen sollte wie: Das versteht Ihr genau richtig, und ich danke Euch, dass Ihr mir nicht gram seid .
    »... schütze den König«, sagte Daniel und meinte damit keine Ursache.
    »Sir

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