Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Verurteiltenloch zu Willen zu sein, sagte sie, Ihr hättet Eure Begeisterung für diese Arbeit vollständig verloren und hieltet Ausschau nach einem Posten als Mädchen für alles. Und jetzt mal Beeilung, Mann, die Ärzte warten -«
    Und das ist alles, was er herausbringt, denn während der letzten Sätze hat Ketch das lose Ende des Seils oben über den Balken geschlungen und stramm gezogen. Sehr stramm. Vorher hatte er versprochen, viel schlaffes Seil zuzugeben und Shaftoe einen hübsch langen Fall zu verschaffen, damit es schnell vorbei wäre; aber das war, bevor Shaftoe einen gewissen stillschweigend geschlossenen Vertrag brach. Ketch zieht das Seil so stramm, dass es nur noch so scheint, als stünde Jack auf dem Karren; in Wirklichkeit berühren seine Fußspitzen kaum noch die Bodenbretter. »In ein paar Minuten werde ich mich um Euch kümmern, Jack«, murmelt er Shaftoe ins Ohr.
    Jacks Kopf wird von dem Knoten hinter seinem Ohr hinuntergedrückt; er kann nicht umhin zu merken, dass der Karren unter ihm weg ist. Er erinnert sich an die Schnur, die er vorher unter den Kleidern hindurch von seinem Schuh zu der Schlinge an seinem Hals geführt hat, und streckt das entsprechende Bein kräftig nach unten. Das vermindert den Druck ein wenig. Hinter ihm auf dem Karren bemühen sich der Gefängnisgeistliche und der katholische Priester, sich gegenseitig im Beten zu überbieten.
    Auf dem freien Platz unten stehen vier Pferdegespanne, wie die Pfeile auf einer Kompassscheibe in verschiedene Himmelsrichtungen weisend, bereit für den letzten und spektakulärsten Teil des Unternehmens. Ein paar Leute, die vermutlich auf die ein oder andere Weise mit Aspekten des Ausweidens und Vierteilens zu tun haben, stehen dort unten herum und beobachten ihn.
    Einer von ihnen ist ein einzelner Mann in einer Mönchskutte. Auf den zweiten Blick fällt Jack ein, dass er zu den Mönchen gehört, die den katholischen Priester die Holborn entlang eskortiert haben. Der Mann stellt sich auf den freien Platz, neben dem gewaltigen Hackblock. Seine Kapuze ist fast ganz zugezogen, sodass er die Welt durch einen Tunnel aus schwarzem Homespun betrachtet. Er dreht sich zu Jack um, wobei er es geschickt so anstellt, dass ein breiter Sonnenstrahl auf sein Gesicht fällt. Jack erwartet Enoch Root oder wenn nicht ihn, dann irgendeinen wilden heiligen Mann.
    Stattdessen erkennt er das Gesicht seines Bruders Bob.
    Und das erklärt, warum ein einzelner Mönch überhaupt hier sein kann, weil Bob natürlich weiß, wie er um die King’s Own Black Torrent Guards herumkommt.
    Für einen herrlichen Moment der Dummheit nimmt Jack an, irgendeine Art von Rettung stünde bevor.
    Darauf folgt ein Moment des Schreckens, als Jack sich fragt, ob Bob Anlauf nehmen und sich an seine Füße hängen wird, um ihm einen schnellen Tod zu verschaffen. Oder ob er, falls nicht, vielleicht eine Pistole ziehen und Jack unmittelbar aus seiner Not befreien wird.
    Die Schnur reißt! Jack fällt ein paar Zoll tiefer, der Knoten versetzt ihm einen Schlag an den Hinterkopf, das Seil zieht sich enger um seinen Hals.
    Jacks Blick liegt immer noch auf seinem Bruder. Jetzt gibt es, wie in den frühen Jahren seines Lebens, niemand anderen auf der Welt.
    Seine Hände hat Bob bis jetzt, verborgen in den weiten Ärmeln seines Gewandes, vor dem Körper zusammengehalten. Nun, da er Jacks Bedrängnis sieht, nimmt er sie auseinander und hält sie wie ein Heiliger in die Höhe. Die Ärmel geraten in heftige Bewegung. Zwei Lerchen fliegen aus dem rechten und eine Amsel aus dem linken Ärmel. Sie flattern ziellos um den Galgen herum, erkennen schließlich, dass er kein echter Baum ist, und steigen dem Licht entgegen.
    Jack spürt, wie die Last der Welt von ihm genommen wird.
    Ohne Mühe erkennt er, was die Vögel bedeuten: Sie sind entkommen. Alle drei. Sie sind auf dem Weg nach Amerika.
    Ein Tosen bricht aus. Er weiß nicht, ob es das Blut in seinen Ohren ist oder der Pöbel oder vielleicht ein Heer von Dämonen und ein Engelschor, die sich darum streiten, wem von ihnen seine Seele gehört. In dem Versuch, diese Vögel im Blick zu behalten, verdreht Jack seine Augen ganz nach oben. Das Blau des Himmels hat sich in ein eintöniges Grau verwandelt, und seine Ausdehnung verengt sich. Er schrumpft bis auf die Größe einer Bleimünze mit zwei weißen Vögeln und einem schwarzen auf ihrer Bildseite.

Sternkammer
    Zur richtigen Zeit packt Mr. Threader die Kapelle mit der Zange und stülpt sie über der frisch

Weitere Kostenlose Bücher