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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Kommission wortlos um ihre Meinung bittet. Als ein Konsensus erreicht worden zu sein scheint, greift er wieder zu der Zange, zieht die Kapelle heraus und stellt sie zum Abkühlen auf einen Ziegelstein. Die Bleiumhüllung ist verschwunden, und die Kapelle ist kohlengrau geworden. Oben in der Kapelle zurückgeblieben ist der Barren: ein runder Goldsee. Die Sterne und Monde, die Mr. Threaders schwarzes Firmament schmückten, sind durch die Alchimie in diese kleine Sonne verwandelt worden. Nun brauchen sie nur noch zu warten, bis sie abgekühlt ist, ehe sie ihr Gewicht ermitteln.

Holborn
    Die Holborn sollte für Jack eigentlich das Tal des Todesschattens sein. Vielleicht würde er sie so sehen, wenn sein Blick nach vorne gerichtet wäre, sodass er Tyburn auf sich zukriechen sehen könnte. Aber sie haben ihn andersherum gedreht, mit Blick auf London, das er gerade verlässt. Dahinter verbirgt sich eine bestimmte Botschaft: Er soll reuevoll auf seine verräterischen Machenschaften zurückblicken. Die Rechnung geht jedoch nicht auf. Jack ist ein Funke, der durch einen Graben voller Schießpulver gezogen wird. Alles andere als das Tal des Todesschattens, ist dieser vielmehr ein von pulsierendem, lärmendem Leben dröhnender Kanal, bestens ausstaffiert, um von Jack betrachtet zu werden, und als solches eine große Ablenkung für jemanden, der sich eigentlich mit seinen Sünden beschäftigen sollte.
    Einzelne Personen erkennt er nicht, aber London als Ganzes ist ihm so vertraut wie die Gesichter in einer Pfarrkirche am Sonntagmorgen einem betagten Vikar. Gruppen sind auch erkennbar. Ein ungefähr regimentsgroßes Bataillon Fischweiber hat die Artilleriebatterien an der Brücke in weitem Bogen umgangen, ist heimlich durch die Chick Lane marschiert und hat sich zum Westufer des Fleet vorgearbeitet. Dort scheint es sich in Kompanien und Trupps aufgeteilt und in Schlagweite an Orten wie Saffron Hill, Dyers’ Court, Plough Yard und Bleeding Heart Court aufgestellt zu haben. Diese Nebenstraßen münden entlang jenes Hügels in die Holborn, an dessen Fuß die Fleetquerung liegt, wo die Hinrichtungsprozession dazu verurteilt ist, ihr Tempo zu verlangsamen. Von dem sich westwärts ausbreitenden Gebrüll des Pöbels angestachelt, stürmen die Fischweiber plötzlich von ihren Nestern aus auf die Straße, holen Hände voll schwarzer Münzen aus ihren Schürzen und schleudern sie Jack an den Kopf. Die Münzen prasseln wie eine Traubenladung auf die Schleife nieder, prallen ab und klingen in der Luft wie Märchenglöckchen. Jack reißt einen Knopf von seinem Rock ab und wirft ihn verstohlen einem Fischweib zu, das sogar bis auf wenige Meter an die Schleife herangekommen ist. Die Frau hebt instinktiv die Hände und schnappt ihn sich aus der Luft. Ein Knäuel Fischinnereien landet quer auf Jacks Nasenrücken, worauf er das Feuer mit einem weiteren Goldknopf erwidert.
    Nachdem der Angriff des Fischweiberregiments unter nur leichten Verlusten abgewehrt wurde, erklimmt die Prozession jetzt den Hügel und gelangt auf den breitesten Teil der Holborn, der zwischen ausgedehnten, im Laufe von Jacks Leben aus Viehweiden entstandenen Plätzen hindurch über eine Meile bis nach St. Giles’s führt. Ein Puritaner im schwarzen Gehrock steht auf der Straßeninsel am Holborn Bar und hält über dem Kopf eine Bibel, die an einer Stelle, von der er glaubt, Jack müsste sie kennen, geöffnet ist. Ein anderer überwindet den Kordon, klettert zu Jack auf die Schleife und schickt sich an, ihn mit einem Eimer Wasser, den er mitgebracht hat, zu taufen; der Gefängnisgeistliche von Newgate dagegen, der auf dem Karren mitfährt, hat nichts dergleichen bei sich. Im Nu ist er auf dem Pflaster, drängt sich neben die Schleife und greift nach dem Taufeimer. Das führt zu einem Tauziehen und sorgt für so viel Ablenkung, dass eine kleine Prozession von Katholiken – jedenfalls schließt er das aus den Mönchskutten, die sie alle tragen – sich in den Zug einschleichen kann und ein Teil von ihm wird. Einer ist ein Geistlicher, die anderen sind kräftige Mönche, was vollkommen einleuchtet, da ein einzelner Papist in dieser Menge nicht länger als zehn Sekunden überleben würde. Der Priester geht mit großen Schritten hinter der Schleife her, schaut Jack in die Augen und fängt an, rasch etwas in einer Sprache zu deklamieren, die Jack für Latein hält. Ihm wird die Letzte Ölung verabreicht! Eine sehr fürsorgliche Geste von irgendjemandem. Diese kleine,

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