Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
gefunden zu haben?«
    »Nein.«
    »Gut. Ich hatte schon befürchtet, das Ganze würde zur Predigt ausarten.«
    Nun fühlte sich Daniel so sicher, dass er zwei weitere Schritte vortrat. Dann fiel ihm eine Frage ein, und er blieb stehen. »Woher wisst Ihr meinen Namen?«
    »Er ist in die Rückseite der Uhr eingraviert.«
    »Nein, das ist er nicht.«
    »Bravo«, sagte Saturn. Daniel wusste nicht zu sagen, wem von ihnen der Sarkasmus galt. Saturn fuhr fort: »Nun gut, Sir. Ein ganz bestimmter Kerl, den ich kenne, ein Taschendieb und Spezialist für Taschenuhren, der mit einem Konstabler in Konflikt geraten und dazu verurteilt worden war, am Schinderkarren von Newgate bis Leadenhall gepeitscht zu werden, schaute eines Nachmittags bei meinem Laden vorbei und bat um eine sitzende Beschäftigung, bis seine Striemen verheilt waren. Und nachdem ich vernünftige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, das heißt dafür gesorgt hatte, dass er keine krummen Dinger drehen würde, die meinen Laden in Verruf brächten, sagte ich zu diesem Menschen, meinem Geschäft hier geht es schlecht, weil ich es ohne vergängliches Wissen nicht betreiben kann. Doch mein Gehirn hat genug davon, und ich möchte nur noch in meinem Laden sitzen und Bücher lesen, um ewiges Wissen zu erwerben, was mir auf immaterielle Weise nützt, mir aber in keiner Weise hilft, gestohlenes Eigentum horologischer Natur entgegenzunehmen und zu verkaufen, worin ja der raison d’être des Ladens besteht. Geh deshalb ins Rumbo, ins Spinning-Ken, ins Old Nass, geh zu den Tränken von Hockley-in-the-Hole und den Kaschemmen am unteren Ende des Mount, geh ins Goat in der Long Lane, ins Dogg in der Fleet Street und ins Black-Boy in der Newtenhouse Lane und trink – aber nicht zu viel -, und kaufe jedem Ganoven, den du dort siehst, etwas zu trinken – aber keinesfalls zu viel -, und erwirb vergängliches Wissen, und dann komm zurück zu meiner Höhle und berichte mir, was du erfahren hast. Und eine Woche später kommt er zurück und erzählt mir, dass in letzter Zeit ein alter feiner Pinkel die Runde macht, der versucht, abhandengekommenes Eigentum wiederzubeschaffen. ›Was ist ihm denn abhanden gekommen?‹, wollte ich wissen. ›Gar nichts‹, bekam ich zur Antwort, ›er ist hinter dem Eigentum von jemand anders her – von irgendeinem Kerl, der vor zehn Jahren in die Grube gefahren ist.‹ ›Geh und bring den Namen von dem Toten in Erfahrung‹, sage ich, ›und den von dem Lebendigen auch.‹ Kommt die Antwort: Robert Hooke beziehungsweise Daniel Waterhouse. Er hat mich ja sogar einmal auf Euch aufmerksam gemacht, als Ihr auf dem Weg zu Eurem Schweinepferch an meinem Laden vorbeigekommen seid. Daher kenne ich Euch.«
    Peter Hoxton streckte die Arme aus. Seine Linke hielt die Kette der Hooke-Uhr, die wie ein Pendel daran schwang, seine Rechte bot sich zum Händedruck dar. Die Uhr nahm Daniel gierig, den Händedruck nur widerwillig entgegen.
    »Ich habe eine Frage an Euch, Doktor«, sagte Saturn, während er Daniel die Hand schüttelte.
    »Ja?«
    »Ich habe mich mit Euch beschäftigt und weiß, dass Ihr so etwas wie ein Naturphilosoph seid. Wollte Euch schon immer zu mir einladen.«
    »Habt Ihr – Sir, habt Ihr etwa veranlasst, dass mir die Uhr gestohlen wurde!?«, fragte Daniel und versuchte zurückzuweichen; doch Saturns Hand hatte die seine verschlungen, wie ein Python eine Springmaus verschluckt.
    »Habt Ihr – Doktor, habt Ihr Euch etwa mit Absicht gegen mein Schaufenster geworfen?«, antwortete Saturn und äffte dabei perfekt Daniels Ton nach.
    Dieser war so empört, dass ihm die Worte fehlten, was der andere als Erlaubnis zum Weiterreden auffasste: »Nun handelt es sich bei der Philosophie um das Studium der Weisheit – ewige Wahrheiten. Doch Ihr seid vor langer Zeit übers Meer gefahren, nicht wahr, um ein Institut der Technologischen Wissenschaften zu gründen. Und nun seid Ihr, mit einem ähnlichen Vorhaben, wieder nach London zurückgekehrt. Warum, Doktor? Ihr habt das Leben geführt, von dem ich träume: habt auf Eurem Hintern gesessen und Bücher über ewige Wahrheiten gelesen. Und dennoch komme ich nicht durch ein Kapitel Plato, ohne aufzublicken und Euch wie einen riesigen Fleck Vogelscheiße an meinem Schaufenster kleben zu sehen. Warum habt Ihr Euch vom Studium ewiger Wahrheiten abgewendet, um Euch mit vergänglichem Wissen abzugeben?«
    Zu seiner nicht geringen Überraschung wusste Daniel darauf eine Antwort, die ihm aus dem Mund kam, ehe er Zeit hatte,

Weitere Kostenlose Bücher