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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hatte sich offenbar entschlossen, Daniel an diesem Tag nicht weiter zu verfolgen. Er blieb stehen und wartete, und je länger er wartete, desto finsterer schien er dreinzuschauen. Er war ein Riesenkerl, dafür gebaut, den ganzen Tag Holz zu hacken. Er hatte den kräftigsten Bartwuchs, den Daniel seit vielen Jahren gesehen hatte, und machte den Eindruck, als könne er sich binnen Wochenfrist einen rabenschwarzen Biberpelz im Gesicht wachsen lassen. Vielleicht hatte er sich vor achtundvierzig Stunden rasiert. Aber er hatte wenig Anreiz verspürt, es häufiger zu tun, denn seine Wangen und sein Kinn hatten sehr unter den Pocken gelitten, die regelrechte Narbenschichten hinterlassen hatten. Kurzum, der Kopf des Mannes sah aus wie ein kleiner, mit dem Schlosserhammer über einem erlöschenden Feuer geschmiedeter Bräter. Sein Haar hing ihm auf eine Weise um das Gesicht, die Daniel an den jungen Robert Hooke erinnerte; doch wo Hooke kränklich und gebeugt gewesen war, hatte dieser Mann einen Körperbau wie ein Leichenkarren. Dennoch hielt er Daniels Uhr auf die sonderbar behutsamste Weise, dergestalt, dass der Zeitmesser auf einem halben Morgen rosiger Handfläche ruhte, während die Kette zurückgezogen und über die von schwarzen Rissen gefurchten Finger der anderen Hand drapiert war. Er stellte sie zur Schau.
    Daniel machte einen weiteren Schritt vorwärts. Er hatte die alberne Vorstellung, dass der Mann wegflitzen würde, wenn er die Hand ausstreckte: ein Reflex, den sich Daniel beim kindlichen Fangspiel angeeignet hatte und niemals ganz losgeworden war.
    Irgendetwas passte hier nicht zusammen. Er blickte in die grauen Augen des Mannes und bemerkte Krähenfüße. Der andere war älter, als er aussah, wahrscheinlich in den Vierzigern. Das bot vielleicht einen Erklärungsansatz.
    »Ihr habt mich richtig beurteilt«, sagte der Mann in ermunterndem Ton. »Ich bin ein auf Abwege geratener Uhrmacher.«
    »Ihr handelt mit anderer Leute Zeit -«
    »Tun wir das nicht alle, Sir? Und jeder schließt gewissermaßen seinen eigenen Handel.«
    »Ich wollte ›Zeitmessern‹ sagen, aber Ihr habt mich unterbrochen.«
    »Ein verbreiteter Irrtum derjenigen, die Zeit teuer kaufen und billig verkaufen, Dr. Waterhouse.«
    »Ihr wisst meinen Namen? Wie heißt Ihr?«
    »Mein Nachname ist Hoxton. Mein Vater hat mich Peter getauft. Hier herum nennt man mich Saturn.«
    »Der römische Gott der Zeit.«
    »Und des verdrießlichen Gemüts, Doktor.«
    »Ich habe Euren Laden, Mr. Hoxton, etwas genauer in Augenschein genommen, als mir lieb war.«
    »Ja, ich stand direkt am Fenster, habe meine Pfeife geraucht und im Gegenzug Euch beobachtet.«
    »Ihr habt mir erzählt, Ihr seid, um Eure Worte zu gebrauchen, auf Abwege geraten. Ihr arbeitet unter einem Alias, das ein anderes Wort für Übellaunigkeit ist. Ich glaube, ich weiß, welcher Art Euer Geschäft ist. Dennoch wollt Ihr mich glauben machen, Ihr gäbt mir ohne jede... Komplikationen … meine Uhr zurück, und erwartet von mir, dass ich mich in Eure Reichweite begebe …« Hier verstummte Daniel, der die Uhr im Auge behielt und sich zugleich bemühte, nicht so an ihrer Rückgabe interessiert zu wirken, wie er in Wirklichkeit war.
    »Gehört Ihr zu denen, für die alles einen Sinn ergeben muss? Dann sind wir beide Leidensgenossen.«
    »Sagt Ihr das, weil Ihr Uhrmacher seid?«
    »Mechaniker, seit ich ein junger Bursche gewesen, und Uhrmacher, seit ich zur Besinnung gekommen bin«, sagte Saturn. »Die Information, die Ihr braucht, ist folgende, Doktor: Das hier ist eine alte Hooke’sche Unruhfeder-Uhr, jawohl. Als der Meister sie hergestellt hat, mag sie durchaus der beste je von Menschenhand gefertigte Zeitmesser gewesen sein. Aber mittlerweile gibt es in Clerkenwell gut zwanzig richtige Uhrmacher, die genauer gehende machen können. Die Technologie altert, nicht wahr?«
    Daniel schürzte die Lippen, um nicht laut loszulachen angesichts des Spektakels, wie aus jenem Kopf dieses neue Fünfguineenwort – Technologie - drang.
    »Sie altert schneller als wir. Da kann es einem schon schwerfallen, sich auf dem Laufenden zu halten.«
    »Ist das Eure Geschichte, Saturn? Ihr konntet Euch nicht auf dem Laufenden halten und seid deshalb auf Abwege geraten?«
    »Ich wurde es müde, mich auf dem Laufenden zu halten, Doktor. Das ist meine Geschichte, wenn Ihr es unbedingt wissen müsst. Ich wurde des vergänglichen Wissens müde und beschloss, nach solchem von ewiger Natur zu suchen.«
    »Behauptet Ihr, es

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