Principia
den Hof zu folgen, obgleich mit noch weniger Erfolg als Vulkan.
Angesichts der zahlreichen Ablenkungen befanden sie sich in dem neuen Haus, ehe Daniel richtig Zeit gehabt hatte, es in Augenschein zu nehmen. Wahrscheinlich war das nur gut so; er hatte einen vagen Eindruck von Unmengen von Statuen gewonnen, die auf Dachfirsten und Balustraden posierten.
»Rokoko nennt man das«, erklärte Catherine, während sie ihn in den Raum führte, bei dem es sich um den großen Ballsaal handeln musste. »Das ist jetzt groß in Mode.«
Daniel konnte sich nur Drakes Haus mit seinen kahlen Wänden und seinen ein bis zwei klotzigen Möbelstücken pro Zimmer in Erinnerung rufen. »Ich komme mir darin alt vor«, sagte er unverblümt.
Catherine bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln. » Manche sagen, es sei die Folge eines Überschusses von Inneneinrichtern in Verbindung mit einem Defizit an Häusern.«
Und einem Mangel an Geschmack, wünschte sich Daniel sagen zu können. »Da Ihr die Hausherrin seid, Mademoiselle, werde ich mich nicht dazu äußern, was manche sagen.« Sie belohnte ihn mit Grübchen. Ohne es zu beabsichtigen, hatte er einen durchtriebenen Kommentar zu ihrem Arrangement mit Roger abgegeben.
Er fand solche Augenblicke leicht entnervend. Im Großen und Ganzen sah sie nicht wie Isaac aus, nicht einmal wie der junge, schwächliche, mädchenhafte Isaac, den Daniel vor einem halben Jahrhundert im Trinity kennengelernt hatte. Er hätte nie vermutet, dass auch nur ein Tropfen Newton-Blut in ihren Adern floss, wenn er es nicht schon gewusst hätte. Doch in den Momenten, in denen sie vergaß, ihre Klugheit zu verbergen, blitzte eine Familienähnlichkeit auf, und er sah ganz kurz Isaacs Gesicht, als pirschte sich der Verfasser der Principia Mathematica durch einen dunklen Raum an ihn heran, der von außen durch einen Blitzschlag erhellt wurde.
»Da ist eine merkwürdige Erfindung, die Ihr vielleicht Eurer Aufmerksamkeit wert findet, Doktor. Hier entlang, bitte!«
Der Vulkan stand an einem Ende des Ballsaals. Gegenüber den von der Natur verfertigten, die ungemein primitiv, unregelmäßig und schmucklos waren, stellte er eine deutliche Verbesserung dar. Er war von perfekter Kegelform, und die um fünfundvierzig Grad geneigten Hänge liefen zu einer polierten Messingdüse oder -zitze auf dem Gipfel zusammen. Dort war ein halb zerfallener klassischer Tempel, komplett mit halb eingestürzter goldener Kuppel, errichtet worden, der die zwischen Säulen aus rotem Marmor sichtbare Öffnung umschloss. Der Berg selbst bestand aus schwarzem, rot geädertem Marmor und war verziert mit der üblichen ermüdenden Menagerie von Nymphen, Satyrn, Zentauren etc., allesamt in Gold geformt. Von der Basis bis zum Gipfel maß er wahrscheinlich nicht mehr als vier Fuß, wirkte jedoch dank des Sockels, auf dem er stand, sehr viel größer: einer hohlen Plinthe, die sich vom Boden bis auf Taillenhöhe erhob und rundherum von Karyatiden in Form von Typhon und anderen ungeschlachten Erdungeheuern getragen wurde.
»Wenn Ihr zu mir auf die andere Seite kommt, Doktor, überrasche ich Euch mit der allerwunderbarsten Schnecke.«
»Wie bitte?«
Sie hatte eine auf der Rückseite verborgene Klappe geöffnet und winkte ihn näher. Er trat zu ihr, ging vorsichtig in die Hocke und spähte ins Innere. Nun sah er einen dicken Zylinder, der, von einem Kupferbecken auf dem Boden ausgehend, schräg bis zum Gipfel des Vulkans verlief.
»Roger wollte unbedingt einen Vulkan haben, der Ströme von geschmolzenem Silber speit. Es wäre spektakulär gewesen! Aber Mr. MacDougall befürchtete, das könnte die Gäste in Brand setzen.«
»Was auf andere Weise ebenso spektakulär gewesen wäre«, sinnierte Daniel.
»Mr. MacDougall hat Roger überredet, sich mit Phosphoröl zu begnügen. Es wird anderswo zubereitet, in Fässchen hierher gebracht und in das Becken gegossen. Die archimedische Schraube befördert es nach oben, es schießt aus dem Gipfel und läuft die Hänge hinab, während die Zentauren und so weiter entsetzt flüchten.«
»Sie – flüchten?«
»Aber ja, denn es soll glühende Feuerströme darstellen.«
»Das verstehe ich. Aber wie flüchten sie -?«
»Es sind mit Uhrwerken versehene Geschöpfe.«
»Ebenfalls das Werk von Mr. MacDougall?«
»Ganz recht.«
»Ich entsinne mich, dass ich einen Silberschmied namens Millhouse, nicht aber einen ingénieur namens MacDougall beauftragt habe.«
»Mr. Millhouse hat Mr. MacDougall beauftragt, die
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