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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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komplizierten Teile auszuführen. Als Mr. Millhouse an den Pocken gestorben ist -«
    »Hat Mr. MacDougall übernommen«, vermutete Daniel, »und konnte gar nicht mehr aufhören, ein kompliziertes Teil nach dem anderen einzubauen.«
    »Bis Roger der Sache ein Ende gemacht hat – etwas emphatisch, wie ich fürchte«, sagte Catherine und zuckte auf eine Weise zusammen, die bei Daniel den Wunsch weckte, ihr über die Haare zu streichen.
    »Lebt er noch?«
    »O ja, er arbeitet in Theatern und sorgt für Geistererscheinungen, Explosionen und Unwetter.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Er hat die Seeschlacht inszeniert, bei welcher der Vorhang abgebrannt ist.«
    »Ich glaube Euch. Wie oft bricht der Vulkan aus?«
    »Ein-, zweimal im Jahr, bei wichtigen Gesellschaften.«
    »Und bei diesen Gelegenheiten wird Mr. MacDougall aus dem Exil zurückgerufen?«
    »Roger zahlt ihm ein Honorar.«
    »Woher bekommt er seinen Phosphor?«
    »Er lässt ihn sich liefern«, sagte sie, als wäre das eine Antwort.
    »Wo könnte man Mr. MacDougall wohl finden?«
    »Das Königliche Theater in Covent Garden bereitet gerade eine neue Produktion mit dem Titel Die Plünderung von Persepolis vor«, sagte Catherine zögernd.
    »Kein weiteres Wort, Miss Barton.«

Sir Isaac Newtons Haus, St. Martin’s Street, London
    SPÄTER AN DIESEM TAG
    »Ich habe so etwas wie ein Rätsel für dich, das mit Guineen zu tun hat«, lauteten die Worte, mit denen Daniel das zwanzigjährige Schweigen zwischen ihm und Sir Isaac Newton beendete.
    Seit Enoch Root in der Tür seines Hauses in Massachusetts aufgetaucht war, hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wie er dieses Gespräch beginnen sollte: welcher gewichtige Gruß am besten zur Feierlichkeit des Anlasses passen würde, wie lange er sich in Erinnerungen an die Studentenzeit in Cambridge ergehen und ob er irgendetwas über ihre letzte Begegnung sagen sollte, die so schlecht verlaufen war, wie eine private Begegnung nur verlaufen konnte, ohne in Totschlag auszuarten. Wie ein Theaterautor, der Entwürfe einer schwierigen Szene niederschreibt und verbrennt, hatte er sich die Wiederbegegnung tausendmal im Kopf zurechtgelegt, und jedes Mal war ihm die Vorlage zu einem blutigen Debakel wie der letzte Akt von Hamlet geraten. Warum sich also, da die Sache vollkommen hoffnungslos erschien und er laut Saturns Behauptung ohnehin nur noch Stunden oder Tage zu leben hatte, mit Formalitäten aufhalten.
    Als die Tür aufging und er Isaac durch das Zimmer hindurch ins Gesicht sah, nahm er darin keine Spur von Zorn oder (was gefährlicher gewesen wäre) Angst wahr. Isaac wirkte resigniert. Er heuchelte Geduld. Er wirkte wie ein Herzog, der einen vor langer Zeit verlorenen, schwachsinnigen Halbbruder empfängt. Und unter dem Eindruck dieses ersten Augenblicks machte Daniel die Bemerkungen über Guineen, während er über die Schwelle trat. Der Diener, der ihm geöffnet hatte, bedachte ihn mit dem gleichen Blick, den er für einen Leichnam gehabt hätte, der an einem warmen Tag an einer Wegkreuzung am Galgen hängt, und schloss die Tür hinter ihm.
    Daniel und Isaac waren in dem Arbeitszimmer miteinander allein. Jedenfalls nahm Daniel an, dass es Arbeitszimmer hieß. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Isaac eine Schlafkammer oder ein Esszimmer hatte. Jedes Zimmer, in dem er sich aufhielt, war per se ein Arbeitszimmer. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, das im Vergleich mit dem in Rogers Haus verwendeten erstaunlich uneben, ja fast rustikal war. Die Tür bestand aus demselben Material, sodass sie verschwand, als sie geschlossen wurde, und es so schien, als wären Daniel und Isaac zwei vertrocknete alte Exemplare, die man in einer Frachtkiste verstaut hatte. Das Zimmer hatte Fenster, die auf die Straße hinausgingen. Ihre wuchtigen, kunstvollen Holzläden waren geöffnet und ließen etwas Licht von den Leicester Fields herein, das aber großenteils von halb zugezogenen, scharlachroten Vorhängen abgehalten wurde. Isaac saß hinter einem großen Tisch, wie ihn Drake besessen haben würde, und trug einen langen, scharlachroten Schlafrock über einem guten Leinenhemd. Sein Gesicht hatte sich nicht sonderlich verändert, war allerdings massiger geworden, und er hatte immer noch das lange weiße Haar. Doch sein Haaransatz war stark zurückgetreten, sodass man den Eindruck hatte, sein Gehirn versuche sich nach oben aus dem Schädel zu zwängen. Seine Haut war bei Daniels Eintritt weiß gewesen, doch bis dieser ans andere

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