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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ende des Zimmers gelangt war und die Hand zum Gruß ausstreckte, war Isaac rot angelaufen, als hätte er seinem Schlafrock die Farbe gestohlen.
    »Nichts in meinem Leben ist so irritierend, wie mit dummen Rätseln vexiert und gequält zu werden, die meine Klugheit beweisen und meine Senilität auf die Probe stellen sollen«, antwortete er. »Bernoulli – Leibnizens Marionette – hat mich -«
    »Das Brachistochrone-Problem, ich kann mich entsinnen«, sagte Daniel, »und du hast es binnen Stunden gelöst. Ich habe erheblich länger dazu gebraucht.«
    »Aber gelöst hast du es auch«, beharrte Isaac. »Denn es war ein Problem des Kalküls, mit dem man erproben wollte, ob ich das Kalkül verstehe oder nicht! Kannst du die Unverschämtheit ermessen, die darin liegt!? Ich war der Erste, der es überhaupt hatte lösen können, Daniel, und du der Zweite, denn du kanntest das Kalkül aus erster Hand, nämlich von mir. Von den Lakaien des Barons derart anmaßend behandelt zu werden, und das drei Jahrzehnte, nachdem ich es erfunden hatte -«
    » Mein Rätsel ist eigentlich etwas völlig anderes«, sagte Daniel. »Es tut mir wirklich leid, dass ich dich auf dem falschen Fuß erwischt habe.«
    Isaac blinzelte und stieß einen Seufzer aus. Er schien ungemein erleichtert zu sein. Vielleicht hatte er gefürchtet, Daniel würde bestreiten, was er gerade gesagt hatte: Du kanntest das Kalkül aus erster Hand, nämlich von mir. Das war der Schlüssel. In Daniel sah Isaac einen Zeugen, der Isaacs Priorität bei der Entdeckung des Kalküls bestätigen konnte. Welche anderen ärgerlichen und lästigen Eigenschaften Daniel auch immer haben mochte, sie schrumpften zur Bedeutungslosigkeit, wenn man sie daneben hielt. Daniel spürte, wie seine Kopf- und Halsmuskeln sich entspannten und seine Lunge sich mit Luft füllte. Er würde es überstehen. Er würde unversehrt aus diesem Zimmer gelangen, selbst wenn er Dinge sagte, die Isaac ein bisschen wütend machten. Auf Isaacs Schachbrett war Daniel mehr als ein Bauer; er war ein Turm, den man sich bis zum Endspiel aufhob und dann endlich zum Einsatz brachte, damit er unerbittlich das Brett entlangstürmte, den Gegner bis in die letzte Reihe zurücktrieb und die Kapitulation erzwang. Von einem Turm würde sich Isaac eine Menge gefallen lassen.
    Daniel fragte sich, ob Isaac mittels irgendwelcher Machenschaften veranlasst hatte, dass er nach London zurückgeholt worden war. Vielleicht hatte Isaac von fern irgendeinen Einfluss auf Prinzessin Caroline in Hannover ausgeübt.
    »Wie lautet dein Rätsel, Daniel?«
    »Vorhin war ich mit einem Mann zusammen, der erheblich mehr von Geld versteht als ich. Dieser Mensch hat versucht, den Wert einer Guinee zu beurteilen.«
    »Einer Münze, bei der es sich angeblich um eine Guinee handelte«, korrigierte ihn Isaac.
    »In der Tat – ich sage ›Guinee‹, weil sie sich am Ende als solche herausstellte.«
    »Er hätte sie wiegen sollen.«
    »Eben das hat er getan. Und gegen das Gewicht der Münze konnte er nichts einwenden. Das hätte die Frage eigentlich klären müssen. Aber dann tat er etwas, was mir sehr sonderbar erschien. Er steckte sich die Münze in den Mund und biss darauf.«
    Isaac gab keine Antwort, doch Daniel kam es so vor, als liefe er abermals leicht rosig an. Die Geschichte interessierte ihn jedenfalls. Er verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch und sammelte sich, einer Katze nicht unähnlich.
    »Also«, sagte Daniel. »Sogar ich weiß, dass Falschmünzer ihre Fälschungen oft dergestalt herstellen, dass sie zwei aus Goldfolie geprägte Seiten zusammenfügen und den Hohlraum dazwischen mit Lötmetall füllen. Das Lötmetall ist sowohl leichter als auch weicher als Gold. Damit bieten sich zwei Möglichkeiten der Prüfung: Man kann die Münze wiegen oder daraufbeißen. Eines von beiden müsste genügen. Insbesondere müsste der Wert einer Münze außer Frage stehen, wenn sie die Wiegeprobe bestanden hat! Denn nichts ist schwerer als Gold. Jede Verfälschung müsste an fehlender Schwere erkennbar werden. Die Wiegeprobe müsste unfehlbar sein. Und doch hielt es dieser Mensch – der sich mit Münzen wirklich sehr gut auskennt – für nötig, sie zusätzlich durch Daraufbeißen zu prüfen. Gibt es dafür einen Grund? Oder war es einfach nur töricht von ihm?«
    » Von ihm nicht«, sagte Isaac und starrte Daniel erwartungsvoll an. Seine Augen waren große, leuchtende Eiskugeln, die wie Kometen im Raum schwebten.
    »Willst du damit sagen, dass

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