Pringle vermisst eine Leiche
war der gegangen, öffnete
Mr. Pringle das Fenster und beugte sich hinaus, um den Ausblick zu genießen.
Sein Zimmer lag an der Vorderseite, so daß er direkt auf den Dorfanger sah.
Seine Großmutter wäre stolz gewesen, dachte er, wenn sie noch erlebt hätte, daß
er es sich leisten konnte, hier abzusteigen — wenn auch nur vorübergehend.
Ab der nächsten Woche würde der
Aufenthalt hier für ihn allerdings wohl unerschwinglich werden. «Wenn Wuffinge
durch das Blumenfest zu einer anerkannten Attraktion geworden ist, werde ich
die alten Preise kaum halten können», hatte der Wirt bemerkt. Mr. Pringle hatte
verstanden. In gewisser Weise war es ihm ganz recht, so geriet er gar nicht
erst in Versuchung, sich in dem Provisorium häuslich einzurichten, sondern war
gezwungen, sich möglichst schnell zu überlegen, ob er für immer nach Wuffinge
zurückkehren wollte oder nicht. Heute war Dienstag, bis Freitag mußte er seine
Entscheidung getroffen haben.
Es dämmerte, aber noch konnte
er die Häuser gegenüber gut erkennen. Er hatte mitbekommen, daß Doris Leveret
nur ein Stück weit die Straße hinunter wohnte. Ihre Villa war umgeben von einem
Garten aus dem 18. Jahrhundert. Der Weg zu der harmonisch proportionierten
Eingangstür war gesäumt von einer Reihe edler Rosen. Ruby hatte ihm am
Nachmittag im Flüsterton mitgeteilt, daß der alte Leveret es zu etwas gebracht
hätte. Die luxuriöse Villa bestätigte die Richtigkeit dieser Auskunft, dachte
Mr. Pringle. Er überlegte leicht amüsiert, ob er bei einem seiner nächsten
Treffen mit Doris Leveret leichthin erwähnen sollte, daß er vor seiner
Pensionierung Finanzbeamter gewesen war. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte er
es genossen zu sehen, wie einflußreiche Männer bei dieser Eröffnung plötzlich
blaß wurden. Aber vielleicht ließ er solche Späße hier doch lieber bleiben.
Möglicherweise würde er sich ja hier niederlassen.
In welchem dieser Häuser mochte
Doris Leveret aufgewachsen sein, fragte er sich. Sie schien sich an ihn zu
erinnern, umgekehrt galt dies für ihn jedoch nicht. Mädchen, und ganz besonders
die in Enids Alter, hatte er nicht anzusehen gewagt. «Kümmere du dich um deine
Schulaufgaben», hatte seine Großmutter ihn immer wieder ermahnt, «für alle
anderen Dinge hast du später noch Zeit genug.» Und da Mr. Pringle ein
gehorsamer Junge gewesen war, hatte er diese Ermahnung beherzigt.
Wie wohl der Kampf zwischen
Doris Leveret und Miranda Kenny um die Vorherrschaft in Wuffinge ausgehen
würde, überlegte er. Bei einer Wette hätte er auf Mrs. Kenny gesetzt. Sie besaß
mehr Durchsetzungskraft, fand er.
Sein Blick wanderte hinüber zu
der Reihe strohgedeckter Häuser, die eins nach dem anderen zum Leben zu
erwachen schienen, als jetzt überall Licht angemacht wurde. Mrs. Kenny in
«Macavity’s Weidegründe» benutzte eine Petroleumlampe. Von seinem Fenster aus
konnte er sehen, wie sie versuchte, einen blakenden Docht unter Kontrolle zu
bringen. Und natürlich heizte sie ihr Wohnzimmer mit einem ökologisch
vertretbaren Holzofen. Andere hatten da weniger Skrupel. In der Nr. 8 brannte
eine nackte Glühbirne, und darunter saß Elsie vor einem elektrischen Heizofen
und sah fern.
Ein Lastwagen hielt am Rand des
Angers, und ein paar Männer begannen Planen, Gerüste und Taue auszuladen.
Gestern, nach seinem Besuch in der Well-Man-Klinik hatte Mr. Pringle sich
furchtbar niedergedrückt gefühlt. Aber einen Tag später, zurück am Ort seiner
Kindheit, war er schon wieder obenauf. Die einfachsten Dinge bereiteten ihm
hier Vergnügen. Sich vorzustellen, daß die Aussicht auf ein Blumenfest und eine
Kunstgewerbeausstellung ihn in freudige Erregung versetzten! Mavis würde sich
über ihn lustig machen, wenn sie das wüßte. Er seufzte. Ob er die an urbanes
Leben gewöhnte Mrs. Bignell wohl würde überreden können, das einfache Leben mit
ihm zu teilen? Es schien ihm höchst unwahrscheinlich. Was bedeutete, daß auch
er möglicherweise bald zu der Gruppe der Pendler gehören würde, von denen er
andeutungsweise gehört hatte, und Mavis und er allwöchentlich in einer
frustrierten Menschenmenge Wiedersehen feiern würden. Vielleicht mußte er dann
doch noch auf die Beruhigungstabletten zurückgreifen, die ihm der Arzt in der
Well-Man-Klinik verschrieben hatte.
Unten fuhr der Lastwagen weg.
Mr. Pringle war gespannt auf das nächste Ereignis. Er brauchte nicht lange zu
warten. Ein Mann mit zwei Rottweilern an der Leine tauchte vor dem Gasthof auf.
Die
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