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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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also noch
nicht ganz abhanden gekommen», sagte sie erleichtert.
    Mr. Pringle reckte sich ein
wenig, hob den Arm und drückte mit der Hand gegen die Scheibe des
Aussätzigenfensters. «Die Person, deren Hand ich am Dienstag hinter der Scheibe
gesehen habe, muß genau wie ich jetzt hier gestanden haben. Wer immer es war —
ich vermute, es wird tatsächlich Robert gewesen sein —, wurde durch die Ankunft
von Mrs. Leveret und den anderen Damen gestört. Wie gut, daß du so eine
aufmerksame Beobachterin bist, Mavis. Ohne dich wäre es mir nie eingefallen,
hier nach einem Gewölbe zu suchen.» Er zeichnete mit einer Handbewegung den
Abstand zwischen sich und dem Fenster nach. «Fällt dir etwas auf?» Sie
schüttelte den Kopf. «Nein? Nun, was wir als ‹Aussätzigenfenster› angesehen
haben, das ist in Wirklichkeit früher einmal die Eingangspforte zu diesem
Gewölbe hier gewesen — du mußt dir die Pforte natürlich nach unten verlängert
vorstellen.» In seinen Worten schwang so viel Begeisterung mit, daß Mavis
unwillkürlich lächeln mußte.
    «Das leuchtet mir ein», stimmte
sie ihm zu. «Ein so niedriges Fenster wäre ja auch wirklich unsinnig gewesen,
selbst für Aussätzige. Man hätte sich ja bücken und den Hals verrenken müssen,
um in die Kirche hineinsehen zu können.»
    Nachdenklich betrachtete sie
den Abstand zwischen der Öffnung und dem angeblichen Aussätzigenfenster.
«Wahrscheinlich gab es da früher eine Schwelle und dann noch drei, vier Stufen,
so daß sie genau auf dem Steinblock angekommen wären, auf dem du jetzt stehst.»
    «Richtig! Wo hab ich denn jetzt
bloß meine Kerze?»
    «Du willst doch nicht noch
weiter hineingehen?»
    «Aber natürlich!»
    «Und wenn da unten nun Skelette
liegen? Oder wenn wilde Tiere dort hausen oder, noch schlimmer, Ratten?»
    «Es ist hier unten völlig
trocken. Das einzige Tier, das hier überleben könnte, wäre eine Kirchenmaus.
Und was die Skelette angeht, die liegen hier bestimmt nicht einfach so herum.
Die Toten wurden in früheren Zeiten erst in einen Sarg gelegt, bevor man sie in
einem Grabgewölbe beisetzte.»
    Er entschwand ihrem Blick, und
sie hörte ihn rufen: «Es ist eine Art Kammer, Mavis. Sie erstreckt sich
offenbar bis unter die Apsis. Die müssen die Normannen einfach darübergebaut
haben. Hoppla... Hier geht es noch zwei Stufen tiefer...»
    «Sei vorsichtig», rief sie
nervös. Seine Stimme klang wie von weit her, aber die Begeisterung war noch
deutlich zu hören. «Und denk daran, daß der Arzt dir jede Aufregung verboten
hat!» fügte sie hinzu.
    «Keine Sorge, meine Liebe»,
ertönte seine Stimme aus der Tiefe, «ich fühle mich glänzend... Oh, ich sehe
gerade... Hier unten ist ein Mosaikfußboden... Er sieht aus wie ein bunter
Teppich. Oh, Mavis, der sieht fast aus, als könnte er römischen Ursprungs sein!
Vielleicht stand hier früher mal ein Tempel — ich glaube, in dieser Gegend
haben sie Ceres verehrt. Und später ist der Tempel dann zu einer christlichen
Kirche umfunktioniert worden, das kam häufig vor. Hier hinten steht ein
steinerner Tisch — vielleicht war das der Altar.» Seine freudige Erregung wuchs
von Entdeckung zu Entdeckung. «Als Grabgewölbe haben sie das, glaube ich, nicht
benutzt, ich habe wirklich noch kein einziges Skelett gesehen — ein Glück!»
Sein erleichtertes Lachen echote durch das unterirdische Gewölbe. Mavis wurde
ganz unheimlich.
    «Gibt es dort unten Mäuse?»
rief sie.
    «Nein, nur jede Menge Staub.
Kein Wunder, wenn unzählige Generationen von Rubys den Kehricht einfach in den
Spalt gefegt haben... Warte mal, ich sehe gerade...» Er bückte sich, und das
flackernde Licht der Kerze verschwand. Mavis starrte in einen dunklen Schlund.
    «Was ist? Hast du doch noch
Knochen gefunden?» rief sie beunruhigt.
    «Nein, ich habe gerade
entdeckt, daß hier entlang den Wänden Steinbänke sind... Vielleicht wurden in
diesem Gewölbe Ratsversammlungen abgehalten... der steinerne Tisch wäre dann
möglicherweise doch kein Altar...» Er richtete sich auf, und Mavis konnte,
leicht vorgebeugt, den Widerschein seiner Kerze erkennen.
    «Mavis... oh, du meine Güte...
Ich sehe gerade... Die Wände hier sind bemalt. Es sind wunderbar helle,
leuchtende Farben!» In seiner Stimme lag eine Mischung aus Triumph und Staunen:
«Ich glaube, ich habe König Wuffas Bilder gefunden! Das müssen sie sein... Kein
Zweifel... überall kleine, primitive Gestalten... Ich weiß gar nicht, wo ich
zuerst hinsehen soll! Die Farben sind so

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