Printenprinz
um Amtsrat Weinberg, Leiter des Gewerbeaufsichtsamts, handeln sollte. »Wir haben einen Termin mit Ihnen«, fuhr Grundler fort, unbeeindruckt vom grimmigen Gesicht des Beamten. »Ihr Chef hat uns doch angekündigt, oder etwa nicht?«
Weinberg schluckte. Böhnke schätzte ihn auf Ende Fünfzig; vielleicht war er etwas jünger und das schüttere Haar machte ihn älter, als er tatsächlich war. Mit einem braunen Anzug und einem weißen Hemd bekleidet, stellte Weinberg für ihn den Inbegriff eines deutschen Beamten dar: korrekt bis zum glatt gezogenen Scheitel, ordentlich bis zu den parallel zueinander liegenden Bleistiften auf dem beinahe leeren Schreibtisch, gründlich bis zu der von einer Staubschutzhaube abgedeckten Tastatur des Rechners, der augenscheinlich nicht in Betrieb war. Einen Aktenordner hatte Weinberg vor sich auf dem Tisch liegen, er klappte ihn sofort zu, als die beiden Männer in sein Büro stürmten.
»Äh, ich weiß nicht so recht.« Irritiert richtete er seine Brille mit dem Horngestell. »Wer sind Sie denn?« Er machte keine Anstalten, sich von seinem Sessel zu erheben.
Grundler stellte sich nur kurz vor und wies mit Nachdruck auf Böhnke. »Das ist der Mann, der für mich die Fäden in der Hand hält. Herr Böhnke ist in diesem Fall der Zuständige.«
»In welchem Fall?«
Entweder war Weinberg ahnungslos oder er stellte sich unwissend. Böhnke konnte dessen Mimik nicht einschätzen. Der Beamte gab sich höflich, aber distanziert, ein wenig verärgert, aber zugleich hilfsbereit, vorsichtig und entgegenkommend.
»Im Fall von Sybar, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Nein«, entgegnete Weinberg, immer noch ruhig auf seinem Sitz verharrend und keineswegs gewillt, den beiden Männern eine Sitzgelegenheit anzubieten. »Und das meine ich sogar in zweierlei Hinsicht. Nein, Sie haben keinen Termin mit mir, und nein, ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Der Rechtsanwalt sah ihn streng an. »Dann werde ich Ihnen einmal auf die Sprünge helfen.«
Er griff zum Handy. »Sie werden sicherlich nichts dagegen haben, wenn ich aus Ihrem Büro heraus Ihren Chef, meinen Oberbürgermeister, anrufe. Mit dem haben wir nämlich den heutigen Termin geklärt.« Er winkte ab, als Weinberg reden wollte.
»Grüße Sie, Herr Oberbürgermeister. Ich hoffe, Sie haben meinetwegen nicht gerade Ihren Kaffee verschüttet. Ihr Mitarbeiter Weinberg will wohl wegen Gedächtnisschwund in den vorzeitigen Ruhestand wechseln. Er weiß doch tatsächlich nicht, dass wir verabredet waren.«
Schmunzelnd hörte er der Erwiderung zu, dann reichte er sein Gerät an den Beamten. »Ich glaube, Ihr Chef ist nicht gut auf Sie zu sprechen.«
Ehrfürchtig nahm Weinberg das Telefon in die Hand, meldete sich leise und nickte unentwegt. »Jawohl, Herr Oberbürgermeister. Wie Sie wünschen«, sagte er schließlich beflissen.
Das Handy an Grundler zurückzugeben und den beiden Besuchern einen Platz anzubieten, geschah mittels einer Handbewegung.
»Sie müssen entschuldigen, aber ich war eben nicht ganz bei Gedanken. Selbstverständlich stehe ich Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, wenn ich es kann, ohne gegen Recht und Gesetz zu verstoßen.«
»Für das Recht sorge ich«, fuhr Grundler dazwischen, »und für die Einhaltung der Gesetze ist Kommissar Böhnke verantwortlich. Sie brauchen nur zu sagen, was wir wissen wollen.«
»Und was wollen Sie wissen?«
»Was ist mit der Printenfabrik von Sybar?«, fragte Grundler schnell.
Weinberg zuckte kurz mit dem Mundwinkel, kurz darauf hatte er seine nichtssagende Mimik unter Kontrolle gebracht. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen darf.«
»Dürfen Sie«, sagte Grundler unendlich geduldig, ein deutliches Zeichen dafür, dass sein Geduldsfaden bald reißen würde. »Wir sind die Rechtsbeistände der Familie von Sybar und zugleich Handlungsbevollmächtigte für Heinrich von Sybar. Und wenn Sie mir das nicht glauben wollen, zerre ich Sie gleich eigenhändig in mein Büro, damit Sie die Papiere lesen können.«
»Ist ja gut«, beschwichtigte Weinberg. Er sortierte nachdenklich die Schreibwerkzeuge vor sich. »Ich habe herausgefunden, dass das Printenwerk gegen das Baurecht verstoßen hat. Das Unternehmen produziert Teile für Backgeräte in dem Teil des Gewerbegebietes, in dem keine industrielle Produktion zulässig ist.«
Mit einem Fingerzeig brachte ihn Grundler zum Schweigen. »Da stellen sich für mich jetzt schon zwei Fragen. Zum einen: Seit wann interessiert sich das Gewerbeaufsichtsamt für das
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