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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Gesicht. Die wasserhellen Augen wirkten klein, mongolenhaft.
    »Sie erhalten noch genaue Weisungen«, fuhr Heydrich fort. »Sie müssen sich für einen Anfänger ausgeben … und sehr geldgierig sein … und die Hosen gestrichen voll haben vor Angst … kapiert?«
    Werner Stahmer nickte. Er wußte, daß das Reichssicherheitshauptamt einige Leute des feindlichen Agentennetzes kannte und sie zum eigenen Nutzen schonte.
    »Alles andere teilt Ihnen Standartenführer Löbel mit.«
    Heydrich entließ die beiden. Stahmer begriff, fast enttäuscht, die Zusammenhänge. Keine Sache für ihn, viel zu harmlos.
    »Wann steigt das?« fragte er Löbel.
    »Wenn der Mann mit den Dokumenten fertig ist …«
    »Welcher Mann?« unterbrach ihn Stahmer.
    »Sind Sie naiv?« fragte der Standartenführer. »Wir lassen den Schriftwechsel überarbeiten … in ein paar Tagen ist es soweit … der Mann verschwindet in der Versenkung … und Sie treten in Aktion …«
    Stahmer verabschiedete sich. Heute abend wollte ihn Margot zum erstenmal besuchen, und das beschäftigte ihn weit mehr als die Wichtigtuerei des Standartenführers.

40
    Er hatte seine Wohnung auf Hochglanz poliert, die Stühle zurechtgerückt, Delikatessen besorgt und die Korken in den Flaschen vorsorglich locker geschraubt.
    Margot kam pünktlich. Er küßte ihre Hand von innen und außen und zog Margot in sein Wohnzimmer. Sie war natürlich und sicher, wie immer, sah sich ungeniert um und sagte: »Hübsch … nur die Gardinen finde ich aufdringlich …«
    »Morgen werden sie weggeworfen«, antwortete Stahmer.
    Margot schnupperte. »Es gibt Tee?« fragte sie.
    »Am Anfang«, versetzte er lachend.
    »Und dann?« fragte das Mädchen.
    Margot setzte sich und schlug kokett die Beine übereinander. Die Verlegenheit, die Stahmer trug, stand ihm nicht.
    »Merkwürdig«, sagte Margot, »liegt es an der Einrichtung oder … Sie kommen mir heute so hölzern vor …«
    Er stand auf, ging um den Tisch herum, setzte sich neben sie. Das Grammophon mußte das Gespräch übernehmen. Ausgesuchte Platten. Margot summte eine Melodie mit. Ihre Lippen waren halb geöffnet, voll, weich. Das Mädchen war nicht mehr aggressiv, und Stahmer wirkte nicht mehr hölzern. Sie kamen einander näher. Der Abend lief, wie es Stahmer kaum gehofft hatte, und doch ohne das übliche Programm.
    Nach dem Essen standen sie auf und tanzten. Er spürte ihre Nähe, ihren Atem. Er zog sie an sich. Margot vibrierte leicht. Sie lachten und tranken.
    Unvermittelt machte sich das Mädchen frei. »Ich hätte es fast vergessen …«, sagte sie. »Sie haben doch Beziehungen …«
    Stahmer nickte.
    »Erinnern Sie sich noch an Ira …?« Sie lächelte anzüglich. »Die Begleiterin auf Ihrer tschechischen Reise?«
    »Ja«, antwortete Stahmer und ärgerte sich.
    »Ihr Vater ist verschwunden … faselte etwas von geheimem Parteiauftrag … und ist seit Wochen weg … einfach weg …«
    »Vielleicht eine andere Frau …«, entgegnete der Mann, der immer an das Nächstliegende dachte, gleichgültig.
    »Bestimmt nicht«, behauptete Margot, »wissen Sie … das ist so ein Fanatiker.«
    »Was ist er von Beruf?« fragte Stahmer.
    »Graveur«, antwortete sie.
    »Und wie lange ist er schon weg?« Stahmers Stimme klang auf einmal erregt.
    »Seit drei Wochen.«
    Ein plötzlicher Verdacht zerschlug die Stimmung. Der Agent wirkte verstört und versuchte, es durch Alkohol zu überbrücken. Er wurde zu schnell und zu laut lustig.
    Der Zauber des Abends war vorbei, bevor er sich richtig entfaltet hatte.

41
    Am nächsten Tag erhielt Werner Stahmer die befürchtete Gewißheit: der Mann, der im Partei-Auftrag Dokumente fälschte und seit Wochen in der Villa Schlachtensee isoliert war, hieß Puch und war Iras Vater.
    »Ein zuverlässiger Mann«, versicherte Löbel, »ein braver alter Parteigenosse … vielleicht wird er morgen schon fertig.«
    »Und dann?« fragte Stahmer. Seine Stimme klang brüchig.
    Löbel zuckte die Schultern. »Können wir Mitwisser brauchen?« antwortete er.
    »Was wollen Sie tun, Standartenführer?« bohrte Stahmer weiter.
    »Er wird beseitigt …«
    »Ermordet?« fragte der Agent.
    »Kommen Sie … kommen Sie …!«, fuhr ihn Löbel an, »ziehen Sie die Glacehandschuhe aus … was ich zu tun habe … verantworte ich im höheren Interesse.«
    »Im höheren Interesse?«
    »Zum Nutzen des Reiches«, ergänzte der Standartenführer mit schneidender Stimme, »und zu Ihrem persönlichen Schutz«, setzte er

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