Prinz Charming
ist«, meinte Frank. »Wo ist Ross eigentlich?«
»Er muß was Wichtiges erledigen. Würde Mr. Lewis mir das Haus verkaufen?«
Frank nickte. »Das möchte er schon. Wenn er’s loskriegt, behält er seinen Anteil, den Rest schickt er nach St. Louis. Dorthin sind die früheren Eigentümer übersiedelt. Wollen Sie’s denn wirklich kaufen?«
»Billy Lewis ist unser Anwalt.«
Das beeindruckte Taylor. Sie fand es erstaunlich, daß man in dieser winzigen Stadt einen Anwalt konsultieren konnte. Doch dann erzählte Frank, der Mann habe nicht studiert, nur ein paar Bücher gelesen und ein Jahr lang für einen hochgestochenen Juristen in Virginia City gearbeitet, um sich dann als Rechtsbeistand in Redemption niederzulassen. Offensichtlich brauchten Anwälte keine Diplome.
»Ist Mr. Lewis’ Büro zu bestimmten Zeiten geöffnet?«
Diese Frage erregte allgemeine Belustigung. Nachdem das Gelächter verklungen war, entgegnete Frank, der Mann besitze gar kein Büro. Er betreibe den Mietstall, und wenn er sich nicht um die Pferde kümmere, würde er sich mit Rechtssachen befassen.
»Warum liest er Ihnen die Zeitung nicht vor?« wollte Taylor wissen.
»Dafür hat er zuviel Geld verlangt«, erklärte Rolly. »Ich glaube, sie kann unbesorgt in das Haus einziehen, Frank. Wenn Callaghan erfährt, daß sie mit Ross verheiratet ist, wird er sie in Ruhe lassen.«
Victoria gesellte sich zu der kleinen Versammlung, gefolgt von den Zwillingen.
»Wo ist David Daniel?« fragte Taylor.
»Er hilft Hunter, die Pferde zu striegeln.«
»Also, ich dachte der Junge heißt Daniel David.« Frank runzelte die Stirn. »Irgendwie muß ich das falsch verstanden haben.«
Taylor schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Wir nennen ihn mal so, mal so, bis er sich für einen Namen entscheidet. Mr. Rolly, würden Sie mich bitte zum Mietstall führen?«
»Es ist mir eine Ehre, Mrs. Ross.«
Eine Stunde später war Taylor die stolze Besitzerin eines einstöckigen Hauses mit Holzböden und vier hübschen Glasfenstern. Außerdem hatte sie zusammen mit Victoria um hundertsechzig Morgen Land angesucht, nach den Bestimmungen des Ersten Heimstellengesetzes. Lewis bezweifelte, daß die beiden Frauen den Bedingungen entsprachen, denn Victoria war immer noch britische Staatsbürgerin, und deshalb durfte sie wahrscheinlich keinen amerikanischen Grund Und Boden besitzen. Und was Taylor betraf, mußte erst geklärt werden, ob ihr Mann sich bereits um ein Stück Land beworben hatte.
Schon nach wenigen Minuten merkte Taylor, daß Mr. Lewis überhaupt nichts von juristischen Dingen verstand. Da sich nirgendwo schriftliche Unterlagen fanden, die auf Lucas’ Ansuchen hingedeutet hätten, konnte er keines eingereicht haben. Und so bestand sie auf ihrem eigenen Gesuch und erklärte, sie würde die Papiere mitnehmen und auch von ihrem Mann unterschreiben lassen.
Lewis steckte die zwanzig Dollar ein, die sie ihm als Anzahlung gab, und gratulierte ihr zu ihrem neuen Heim. Noch war sie sich nicht sicher, ob ihr überhaupt irgend etwas gehörte, aber sie schüttelte ihm trotzdem die Hand.
Vor dem Mietstall wartete Hunter mit Victoria und den Kindern. Taylor zeigte ihm die Papiere und erklärte, was soeben geschehen war. Statt ihr einzureden, es sei immernoch an der Zeit, in die Zivilisation zurückzukehren, überraschte er sie mit einer höchst bizarren Reaktion - er lachte, bis ihm die Tränen kamen.
Dann kehrten sie alle zum Gemischtwarenladen zurück. Sie wollten das Haus noch vor Einbruch der Dunkelheit sehen. Während Hunter mit Victoria und Daniel vorausging, blieb Taylor zurück, weil sie Georgies Schnürsenkel neu verknoten mußte.
Hunter hob Victoria auf den Kutschbock, setzte Daniel David an ihre Seite, dann drehte er sich um und wartete auf Taylor.
An jeder Hand einen Zwilling, versuchte sie, ihre Schritte zu beschleunigen. Der Weg führte nach Westen, wo die Sonne in einem prachtvollen Farbenspiel unterging. Ein orangegelber Kranz umgab die blutrote Kugel, und Taylor hielt den Atem an, überwältigt von diesem Wunderwerk der Natur. Wie verzaubert blieb sie stehen, dann wurde sie von Georgie in die Wirklichkeit zurückgeholt. »Da ist der Mann, Mama.«
»Welcher Mann, meine Süße?« fragte Taylor, ohne ihren Blick von der sinkenden Sonne abzuwenden.
»Unser Mann, Mama«, erklärte Allie.
Erschrocken hielt Taylor den Atem an. »Unser Mann«, wie Allie ihn nannte, stand mitten auf der Straße, so weit entfernt, daß Taylor seine Miene nicht erkennen konnte.
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